Hamburg/Berlin/Budapest. Die Lage in Budapest eskaliert: Ungarische Behörden sperren Flüchtlinge vom Bahnhof aus. Die Flüchtlinge fühlen sich betrogen.
Die Flüchtlings-Debatte in Deutschland und Europa spitzt sich angesichts immer weiterer Ströme aus den Krisenherden dieser Welt weiter zu. In der Nacht sind Tausende Flüchtlinge in Zügen in Deutschland eingetroffen, nachdem Ungarn die Züge nach Österreich und Deutschland für Flüchtlinge zugänglich gemacht hatte. Im Laufe des Tages werden zahlreiche weitere erwartet. Abendblatt.de hält Sie auf dem Laufenden.
Schleuser bringt Flüchtlinge in Lebensgefahr
Die Polizei in Niederbayern sucht nach einem Schleuser, der acht Flüchtlinge auf der Autobahn 3 in Lebensgefahr gebracht hat. Der Mann sei am Dienstag mit einem Wagen auf der Überholspur bei Passau gefahren, als er in eine Polizeikontrolle geriet. Daraufhin löste der Fahrer eine Vollbremsung aus und rannte über die Mittelleitplanke und die Gegenfahrbahn in einen Wald. Die acht Flüchtlinge ließ er im Wagen auf der Überholspur zurück. „Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn nachfolgende Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig reagiert hätten“, teilte die Polizei mit.
Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge in München
Die Züge aus Ungarn mit Tausenden Flüchtlingen haben in München eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst. Hunderte Spender brachten am Dienstag Lebensmittel, Kleidung, Zahnbürsten, Windeln und andere Geschenke für die Asylbewerber zum Hauptbahnhof.
„Wir danken sehr herzlich dafür, können das alles aber gar nicht mehr verarbeiten“, sagte ein Polizeisprecher am Abend. „Die Lagerkapazität ist erschöpft. Es tut uns leid, wenn die Menschen Semmeln schmieren und die dann gar nicht mehr verteilt werden können.“ Wer weiter helfen wolle, solle die Sachspenden zu den Erstaufnahmeeinrichtungen bringen.
Allein am Münchner Hauptbahnhof kamen am Dienstag bis zum frühen Abend etwa 2100 Flüchtlinge an.
So werden die Asylbewerber verteilt
Wer als Flüchtling nach Deutschland kommt, muss sich erst mal registrieren lassen. Meist passiert das in der am nächsten gelegenen Erstaufnahmeeinrichtung im jeweiligen Bundesland. Dort wird entschieden, ob der Asylbewerber bleiben kann oder in ein anderes Bundesland weitergeschickt wird. Die Verteilung auf die Bundesländer läuft nach dem „Königsteiner Schlüssel“ - ausgerichtet nach Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder.
Das heißt: Nordrhein-Westfalen nimmt die meisten auf, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg. Verwaltet wird das Ganze per Computer. Der entscheidet auf der Basis einer aktuellen Übersicht zur Verteilung in den Bundesländern, wem ein Asylbewerber zugeordnet wird.
Die Verteilung richtet sich dabei auch nach dem Herkunftsland des Asylbewerbers. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das sämtliche Asylanträge bearbeitet, hat Außenstellen in allen größeren Erstaufnahmelagern der Länder - aber nicht jede bearbeitet jedes Herkunftsland.
Maximal drei Monate wohnen Asylbewerber in einer Erstaufnahmestelle des Landes, dem sie zugeordnet wurden. Danach werden sie weiter auf eine Stadt oder Gemeinde verteilt.
Verstärkter Flüchtlingsstrom auch im Norden
Der verstärkte Zustrom von Flüchtlingen per Bahn aus Richtung Süd-Osteuropa ist auch in Niedersachsen und Bremen spürbar, allerdings weitaus geringer als in Bayern. „Es ist schon merklich mehr geworden“, sagte die Sprecherin der Bundespolizei in Hannover, Sandra Perlebach, am Dienstag. Die Zahl der Aufgriffe durch Beamte in Niedersachsen und Bremen sei gestiegen. Die meisten der Flüchtlinge kämen aus Syrien, dem Irak oder den Balkanländern. Viele von ihnen wendeten sich direkt an die Bundespolizei und kämen zu den Wachen auf den Bahnstationen, vor allem in Bremen sei dies der Fall.
Die Bundespolizisten stellen den Asylsuchenden Anlaufbescheinigungen aus, mit denen sie in die Erstaufnahmeeinrichtungen weiterreisen können. Wie die Deutsche Bahn am Dienstag mitteilte, trafen im Norden - anders als in München, Stuttgart oder Frankfurt - bislang keine größeren Flüchtlingsgruppen in einzelnen Zügen ein.
Verstöße gegen EU-Asylregeln: Brüssel droht neue Strafverfahren an
Die EU-Kommission hat Mitgliedstaaten neue Strafverfahren wegen Verstößen gegen gemeinsame Asylregeln angedroht. Nach Angaben einer Sprecherin wies EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker seine Behörde an, entsprechende Briefe zu verschicken. Es gehe unter anderem um die Einhaltung der Richtlinien zu Aufnahmebedingungen und Fingerabdrücken. Diese legen zum Beispiel fest, dass Asylsuchende Unterkunft und Verpflegung bekommen und erkennungsdienstlich erfasst werden. Letzteres soll verhindern, dass die sogenannte Dublin-Verordnung umgesetzt werden kann. Sie regelt, dass derjenige Mitgliedstaat, in dem ein Asylbewerber erstmals europäischen Boden betritt, für das Asylverfahren verantwortlich ist.
Zwölf Schlepper verhaftet
Die österreichische Polizei hat an der Grenze zu Ungarn seit den verstärkten Kontrollen ab Sonntagabend insgesamt zwölf Schlepper festgenommen. Aus den Fahrzeugen wurden 133 Flüchtlinge herausgeholt. Insgesamt wurden nahe der Grenze im Burgenland 377 Flüchtlinge aufgegriffen. Bei allen Fahrzeugen, die über die Grenze kommen, wird eine Sichtkontrolle vorgenommen. Alle Fahrer von Lastwagen müssen aussteigen und den Laderaum öffnen. Auf der Lkw-Spur gibt es wieder Staus.
Polizisten blockieren Flüchtlinge am Budapester Bahnhof
Nach der Schließung eines der wichtigsten Bahnhöfe in Budapest haben am Dienstag Hunderte aufgebrachte Flüchtlinge vor dem Gebäude für ihre Weiterreise nach Deutschland demonstriert. Die rund 100 mit Schlagstöcken ausgerüsteten Polizisten blieben jedoch hart und ließen sie nicht durch. Am Montag hatten sich die Sicherheitskräfte überraschend vom Ostbahnhof zurückgezogen, woraufhin die Migranten Züge in Richtung Westeuropa stürmten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies eine Mitverantwortung Deutschlands an den Flüchtlingsströmen zurück. Die Migranten vor dem Budapester Ostbahnhof schwenkten Fahrscheine, klatschten, buhten und skandierten "Deutschland, Deutschland!" und "Merkel, Merkel". Zuvor hatte die Regierung den völlig überfüllten Bahnhof geschlossen und mit einem starken Polizeiaufgebot abgeschirmt. Ein Regierungssprecher begründete dies mit der Umsetzung von EU-Recht. Dieses verlange, dass jeder Bürger aus einem Drittstaat sich nur mit einem gültigen Pass und einem Schengen-Visum frei in der EU bewegen könne.
Europa und die Flüchtlingsdebatte
Bayern fordert Hilfe anderer Bundesländer
Angesichts der dramatisch steigenden Asylbewerberzahlen und der ungehinderten Einreise von Flüchtlingen aus Ungarn fordert Bayern dringend die Unterstützung aller anderen Bundesländer. „Bayern kann das alleine nicht mehr schaffen“, sagte Sozialministerin Emilia Müller (CSU) am Dienstag in Manching bei Ingolstadt. „Der Zugang von Asylbewerbern explodiert derzeit.“
Im Schnitt seien zuletzt schon knapp 2000 Menschen pro Tag in Bayern angekommen, berichtete Müller. Nun seien es allein in München binnen eines Tages 1500 gewesen, davon 700 bis 800 in Zügen aus Ungarn. Diese würden nun in Bussen in ganz Bayern verteilt - wobei inzwischen zusätzliche Busse geordert worden seien. Außerdem habe Baden-Württemberg bereits Unterstützung zugesagt, berichtete Müller.
Die Stadt München stellte nach Angaben der Regierung von Oberbayern mittlerweile eine Halle in der Nähe des Hauptbahnhofs für neu ankommende Flüchtlinge bereit. Zudem bemühe man sich in der Stadt und den anliegenden Kreisen um Not-Kapazitäten, sagte eine Sprecherin. Und mit der Bahn werde über Möglichkeiten für eine unbürokratische Weiterreise der Flüchtlinge in andere Bundesländer verhandelt.
In Salzburg warteten rund 1000 Flüchtlinge auf ihre Weiterreise nach Deutschland, wie Müller berichtete. Weitere stünden in Wien auf den Bahnhöfen. In Ungarn warteten noch einmal rund 5000 Menschen.
Müller forderte eindringlich, dass alle EU-Staaten ihren Beitrag leisten und ihre Pflicht tun müssten. „Bayern kann nicht die Registrierung für ganz Europa machen.“ Ansonsten müsse der Freistaat über noch stärkere Kontrollen an den eigenen Grenzen nachdenken.
Tschechiens Ex-Präsident: Zuwanderung kein Menschenrecht
Der tschechische Ex-Präsident und bekannte EU-Kritiker Vaclav Klaus hat sich in der Flüchtlingsdebatte zu Wort gemeldet. Europa müsse den Mut finden zu sagen, dass Zuwanderung kein Menschenrecht sei, sagte der 74-Jährige am Dienstag der Zeitung „MF Dnes“. Er fügte hinzu: „Wenn Europa Selbstmord begehen will, indem es eine unbegrenzte Zahl von Flüchtlingen aufnimmt, dann soll es das tun - aber ohne unsere Zustimmung.“ Der neoliberale Politiker wandte sich zudem gegen eine Petition tschechischer Wissenschaftler gegen Fremdenfeindlichkeit. „Das ist eine Gruppe politischer Agitatoren, die ihre akademischen Titel missbrauchen“, sagte Klaus, der von 2003 bis 2013 tschechischer Präsident war.
Feuerwehrmann soll Brandstiftung gestanden haben
Der tatverdächtige Feuerwehrmann hat den Brandanschlag auf das Flüchtlingsheim in Salzhemmendorf nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gestanden. Auch eine mitbeschuldigte Frau habe ein Geständnis abgelegt, hieß es am Dienstag aus zwei voneinander unabhängigen zuverlässigen Quellen. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Hannover wollte die Informationen nicht kommentieren. „Ich sagte zum Inhalt der Vernehmungen weiterhin gar nichts“, erklärte Sprecherin Kathrin Söfker. Der 24-jährige Feuerwehrmann, die 23 Jahre alte Frau und ein weiterer 30 Jahre alter Mann sitzen wegen schwerer Brandstiftung und gemeinschaftlichen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Sie sollen in der Nacht zum vergangenen Freitag einen Molotowcocktail in eine Flüchtlingsunterkunft in Salzhemmendorf geschleudert haben. Nur durch Glück wurde niemand verletzt. Der Feuerwehrmann hatte bei den Löscharbeiten geholfen.
Rajoy: Bei Verteilung auf Arbeitslosenquote achten
Die EU-Kommission muss nach den Worten des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy bei der Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Staaten mehr Kriterien als bisher beachten. Es reiche nicht, nach Einwohnerzahl und Bruttoinlandsprodukt zu schauen, sagte Rajoy nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag in Berlin. Nötig sei auch die Einberechnung der Arbeitslosenquote, der Ausgaben für den Schutz einer Schengen-Außengrenze und der bereits vorhandene Ausländeranteil in der Bevölkerung.
Die EU-Kommission plant eine verbindliche Verteilung von Flüchtlingen auf Mitgliedstaaten, gegen die sich etwa die osteuropäischen EU-Staaten wehren. Rajoy verwies auf die sehr hohe Arbeitslosenquote in Spanien und den Ausländeranteil von 10,6 Prozent. Zudem leiste sein Land einen erheblichen Beitrag zum Schutz des passfreien Schengen-Raums. Länder wie Deutschland und Frankreich haben dagegen keine Schengen-Außengrenze mehr.
Rajoy erklärte sich grundsätzlich zu einer Verteilung bereit. Spanien habe der EU-Kommission angeboten, 2739 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland aufzunehmen. Allerdings müssten beide Länder zuvor die geplanten Registrierungszentren für Flüchtlinge einrichten, in denen dann bereits zwischen Personen mit Chancen auf eine Aufnahme und Wirtschaftsmigranten unterschieden werden solle. Die EU-Kommission möchte, dass Spanien mehr Flüchtlinge aus den beiden Ländern aufnimmt.
Schwesig sieht Ostseeraum als Heimat für Flüchtlinge
Flüchtlinge können nach Überzeugung von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) Deutschland helfen, den demografischen Wandel erfolgreich zu bewältigen. Ein Drittel aller Flüchtlinge sei unter 18 Jahren, sagte Schwesig am Dienstag bei der Konferenz der Ostseeparlamentarier in Rostock. Sie zitierte einen Kommunalpolitiker aus Mecklenburg-Vorpommern, der angesichts von Abwanderungen aus dem ländlichen Raum und Fachkräftebedarf seine Freude darüber geäußert hatte, dass junge Menschen nach Deutschland kommen. „Ich finde, das ist nicht nur eine humane Haltung, es ist auch eine weitsichtige und strategische“, sagte Schwesig und rief zu einem mutigeren und offenerem Umgang mit Flüchtlingen auf.
Der gesamte Ostseeraum könne eine neue Heimat für einen Teil der Flüchtlinge sein. Europa müsse gemeinsam handeln. Die Verantwortung für Flüchtlinge müsse gerechter verteilt werden, forderte Schwesig. Zuwanderung zu nutzen und mehr Integration zu wagen seien gute Antworten auf die anstehenden Fragen.
Schwerpunkt der Konferenz mit rund 180 Delegierten ist die Gesundheitspolitik, die Ostseeregion könne als „Modellregion für Innovationen im Gesundheits- und Sozialwesen“ dienen. Dabei gebe es wichtige Projekte, die die Länder gemeinsam voranbringen können, sagte der Chef der Gesundheitswirtschaft Mecklenburg-Vorpommerns, Horst Klinkmann. Dazu gehöre auch der Kampf gegen multiresistente Keime, bei dem der Nordosten mit seinem Projekt „HiCare“ wichtige Erfahrungen einbringen kann.
Bundesregierung: Dublin-Regeln sind nicht ausgesetzt
Die Bundesregierung hält weiter an den europäischen Asylregeln fest. "Deutschland hat Dublin nicht ausgesetzt", sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Dienstag in Berlin. Dies sei geltendes Recht in Europa. Asylbewerber müssten in dem Land registriert werden, in dem sie die Europäische Union betreten hätten. Wer also nach Ungarn komme, müsse sich vor Ort registrieren lassen und dort das Asylverfahren durchlaufen.
Nach der Weiterreise Tausender Asylsuchender aus Ungarn nach München hatte Österreich von Deutschland Klarheit im Umgang mit den Flüchtlingen gefordert. Die Bundesrepublik müsse deutlich machen, dass das Dublin-Abkommen weiterhin in Kraft sei, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in Wien. Medienberichte, wonach Deutschland nicht wie im Dublin-Abkommen vorgesehen Menschen in das Ankunftsland in der EU zurückschiebe, hätten große Hoffnungen bei den Flüchtlingen geweckt. Daher hätten am Montag viele Menschen Züge Richtung Deutschland gestürmt.
Der Sprecher des Innenministeriums erklärte, aus rein praktischen Erwägungen verzichte Deutschland bei syrischen Asylbewerbern "im Regelfall" auf die Rückführung in andere EU-Staaten. Dabei handele es sich um eine Leitlinie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, "nicht um eine formal bindende Vorgabe".
Nahles: Bis zu 3,3 Milliarden Euro Mehrkosten durch Flüchtlinge
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles rechnet für das kommende Jahr in ihrem Bereich mit Mehrkosten in Milliardenhöhe durch Hilfen für Flüchtlinge. Nötig seien unter anderem soziale Leistungen, Sprachkurse und Hilfen zur Aufnahme einer Arbeit, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin. "Für all diese Maßnahmen zusammen ergibt sich im Jahr 2016 ein zusätzlicher Mittelbedarf in der Bandbreite von 1,8 bis zu 3,3 Milliarden Euro." Sie verwies auf den Zustrom von Flüchtlingen und sagte: "Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass wir im Jahr 2016 zwischen 240.000 und 460.000 zusätzliche Leistungsberechtigte im SGB II bekommen werden." Bis 2019 werde mit rund einer Million zusätzlicher Leistungsberichtigter gerechnet.
"Unser Ziel muss sein, die zu uns kommenden Menschen in eine ordentliche Arbeit zu vermitteln", sagte die Ministerin. "Die Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, sollen schnell Nachbarn und Kollegen werden."
Schlägereien an griechisch-mazedonischer Grenze
An der griechisch-mazedonischen Grenze ist es am Dienstag wiederholt zu Rangeleien und Schlägereien zwischen Migranten gekommen, die bei glühender Hitze auf ihre Ausreise gen Norden warteten. Dies sagten Einwohner der Region der Deutschen Presse-Agentur. Das griechische Fernsehen zeigte Videos von den Rangeleien. Die Polizei auf der mazedonischen Seite lasse jede halbe Stunde nur etwa 50 Migranten durch. Damit komme es auf der griechischen Seite zu einem Stopp des Stroms von Flüchtlingen und zu langen Warteschlangen, wie Augenzeugen berichteten.
Über 23.000 Flüchtlinge binnen einer Woche in Griechenland
Nach vorläufigen Daten der EU-Grenzschutzagentur Frontex sind allein in der vergangenen Woche mehr als 23.000 Bootsflüchtlinge in Griechenland eingetroffen. Das sei ein Anstieg um fast 50 Prozent, hieß es in einer am Dienstag in Warschau veröffentlichten Mitteilung. An der ungarisch-serbischen Grenze seien in der vergangenen Woche nach den bisherigen Erkenntnissen 9400 Flüchtlinge eingetroffen.
Frontex-Direktor Fabrice Leggeri sprach von einer „dunklen Woche“ angesichts der Tragödien um die tot in einem Lastwagen in Österreich gefundenen Flüchtlinge in Österreich und der 55 Toten, die auf Booten im Mittelmeer gefunden wurden.
„Frontex wird weiterhin alles tun, ... um so viele Leben wie möglich zu retten“, sagte Leggeri. „Aber es ist klar, dass wir es mit Schleusern zu tun haben, denen eindeutig nicht daran liegt, eine sichere Reise zu gewährleisten.“ Allein im Rahmen der Operation Triton seien in der vergangenen Woche 5400 Menschen aus der Mittelmeerregion zwischen Libyen und Italien gerettet worden.
Österreich pocht auf Einhaltung von Dublin-Abkommen
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) kritisiert die Flüchtlingszüge aus Ungarn nach Deutschland. "Es ist unverantwortlich, Dublin nicht wahrzunehmen im Sinne, die Registrierung einfach auszusetzen", sagt er. Ob Ungarn Aussagen aus Deutschland missverstanden habe, wonach die Bundesrepublik Flüchtlinge aufnehme und nicht mehr wie im Dublin-Abkommen vorgesehen in ihr EU-Ankunftsland zurückschicke, sei unklar. "Ich weiß nicht, ob das ein Missverständnis war, oder Absicht."
Tillich: Minderheit besudelt unser Land
Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat gewalttätigen Rassisten und allen Sympathisanten vorgeworfen, den gesellschaftlichen Frieden zu bedrohen. Mit den Krawallen und Protesten vor den Flüchtlingsunterkünften in Freital und Heidenau habe eine enthemmte Minderheit das Land „besudelt und beschämt“, sagte er am Dienstag in einer Sondersitzung des Landtags in Dresden. „Dagegen muss es einen Aufstand aller in unserem Land geben.“ Der Regierungschef kündigte einen Dialog zur Stärkung der Demokratie an. Dabei wolle er auch mit Lehrern reden. Ziel müsse es sein, „dass alle Schüler überzeugte sächsische Staats- und Weltbürger werden“.
15.000 Flüchtlinge warten auf Lesbos auf die Weiterreise
Auf der Ostägäisinsel Lesbos harren seit Tagen mehr als 15.000 Flüchtlinge aus - und jeden Tag kommen Hunderte hinzu. Mehr als 4200 Migranten sollen am späten Dienstagabend und am Mittwochfrüh mit zwei Fähren von der völlig überfüllten Insel nach Piräus gebracht werden. Dies sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Die Fähren würden die Flüchtlinge bereits im Hafen von Mytilini aufnehmen. Die Lage auf Lesbos sei dramatisch.
Die Küstenwache gab an, sie habe vor den Inseln der Ostägäis binnen 24 Stunde mehr als 1200 Menschen aufgegriffen. Die Kommunalbehörden haben wegen den schweren Finanzkrise kein Geld, um den Menschen zu helfen. Es gibt kaum Toiletten und die Migranten müssen im Freien schlafen. Rund um Mytilini, dem Hafen des Hauptortes der Insel Lesbos, warten Tausende Menschen auf ihre Reise zum Festland. Von dort wollen sie über die sogenannte Balkanroute nach Westeuropa.
Budapester Bahnhof für Züge wieder freigegeben
Der Ostbahnhof in Budapest ist wieder für den Zugverkehr freigegeben. Die davor wartenden Migranten dürfen aber nicht in das Gebäude, meldet die Nachrichtenagentur MTI.
Zuvor hatte Ungarn die Schließung des Bahnhofs mit der Umsetzung von EU-Recht begründet. Dieses verlange, dass jeder Bürger aus einem Drittstaat sich nur mit einem gültigen Pass und einem Schengen-Visum frei in der EU bewegen könne, sagte Regierungssprecher Zoltan Kovacs der Nachrichtenagentur Reuters.
Weitere Festnahmen nach Österreich-Drama
Nach dem Flüchtlingsdrama auf der österreichischen Ostautobahn A4 mit 71 Toten sind zwei weitere Verdächtige festgenommen worden. Es handele sich um zwei Männer, die in Bulgarien sowie in Ungarn mit Europäischem Haftbefehl gesucht worden seien, teilte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Eisenstadt, Verena Strnad, am Dienstag der österreichischen Nachrichtenagentur APA mit.
Zuvor waren in Ungarn bereits fünf Personen in Haft genommen worden, die verdächtigt werden, als Schlepper oder Fahrer an dem tödlichen Flüchtlingstransport beteiligt gewesen zu sein. Dabei war ein in Budapest gestarteter Lastwagen rund 50 Kilometer südlich von Wien auf einem Pannenstreifen der A4 abgestellt worden. Im Laderaum entdeckte die Polizei am vergangenen Donnerstag die Leichen von 71 Flüchtlingen.
Flüchtlinge aus Wien in Frankfurt gelandet
Rund 100 Flüchtlinge sind am Morgen mit dem Zug aus Wien in Frankfurt am Main angekommen. „Darunter sind mehrere Großfamilien“, sagte die Sprecherin der Bundespolizei am Hauptbahnhof, Simone Ries. Die meisten Menschen stammten aus Syrien und Afghanistan. Sie wurden in einer Frankfurter Einrichtung der Bundespolizei registriert und sollten anschließend nach Gießen fahren, um sich dort bei der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung (HEAE) zu melden. Alleinreisende Minderjährige werden vom Jugendamt in Frankfurt in Obhut genommen. Der Nachtzug sei von Wien über Passau und Frankfurt-Süd ins Ruhrgebiet unterwegs gewesen.
Die Zahl der Flüchtlinge, die am Frankfurter Hauptbahnhof ankommen, sei bereits in den vergangenen Wochen gestiegen und werde im August noch deutlich über den 638 vom Juli liegen, sagte Ries. In den ersten sieben Monaten hatte die Bundespolizei 2323 Asylsuchende im Hauptbahnhof gezählt, 150 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2014.
Behörden machen Budapester Ostbahnhof dicht
Die ungarischen Behörden haben am Dienstagvormittag den von Flüchtlingen bedrängten Budapester Ostbahnhof geschlossen. Polizisten forderten Reisende und Migranten dazu auf, die Bahnhofsanlage zu verlassen, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur MTI.
Rund Tausend Flüchtlinge sind am gesperrten Bahnhof versammelt. Einem Reuters-Reporter zufolge waren "Deutschland, Deutschland"-Rufe zu hören.
Am Vortag hatte die Polizei überraschend auf die Bahnsteigkontrollen verzichtet, die dazu gedient hatten, um visumpflichtige Reisende ohne gültiges Visum für Österreich oder Deutschland am Besteigen der internationalen Züge zu hindern.
Daraufhin waren im Laufe des Montag rund 2000 Flüchtlinge mit Zügen über Wien in Richtung München gefahren. Nach Angaben der Bundespolizei sind in zwei Zügen insgesamt rund 3600 in Rosenheim angelangt. Weitere 1000 würden im Laufe des Tages in München erwartet.
Am Dienstagmorgen führte die Polizei wieder Bahnsteig-Kontrollen durch und ließ keine Flüchtlinge in die internationalen Züge. Wenig später wurde der Bahnhof ganz dichtgemacht.
In der sogenannten „Transitzone“ neben dem Ostbahnhof halten sich nach Angaben von Helfern und Aktivisten derzeit 1500 bis 2000 Flüchtlinge auf, die auf die Möglichkeit einer Weiterreise nach Deutschland warten.
Leitartikel: Konkreter, Frau Merkel!
SPD-Fraktionsvize für EU-Kürzung für Osteuropäer
Weigerungen osteuropäischer EU-Staaten gegen eine Verteilung der Flüchtlinge sollten nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer Auswirkungen auf EU-Zahlungen haben. "Man kann nicht mit nationalen Argumenten gegen eine EU-Politik argumentieren und annehmen, dass dies keine Auswirkungen haben würde", sagte Schäfer der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag. Zuvor hatte bereits der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann gedroht, Osteuropäern EU-Finanzleistungen zu kürzen.
Die Regierungen der Slowakei, Ungarns, Tschechiens und Polens, die sich gegen die auch von Deutschland geforderte verbindliche Verteilung von Flüchtlingen über die EU-Staaten stemmen, wollen sich am Wochenende in Prag abstimmen. "Wir brauchen aber eine enge Solidarität in der EU in dieser Frage, um in Deutschland die Akzeptanz zu erhalten", sagte Schäfer. "Die Frage der Finanzen muss ernsthaft diskutiert werden." Der Sozialdemokrat warnte vor einer Ost-West-Spaltung. Die EU müsse das Problem gemeinsam lösen, um eine Katastrophe zu verhindern.
Der europapolitische Sprecher der Grünen, Manuel Sarrazin, lehnte dagegen die Drohung mit Finanzkürzungen ab. Da beim Thema Asyl kein alleiniges EU-Recht gelte, könne man den osteuropäischen EU-Staaten nicht EU-Zahlungen kürzen.
Entsetzen nach dem Brandanschlag