Der Auftritt der in Bedrängnis geratenen CDU-Vorsitzenden war kein Befreiungsschlag. Sie glänzte nicht, zeigte sich aber als sachliche Krisenmanagerin.
Berlin. Der entscheidende Satz fiel erst im zweiten Teil des Gesprächs. Auf die Frage "Brauchen Sie die Konservativen noch?" sagte Angela Merkel, sie wisse nicht, "ob es Menschen gibt, die nur konservativ sind. Ich bin manchmal auch konservativ." Moderatorin Anne Will reagierte sofort: "Das ist ja ein wunderbarer Satz: Ich bin auch mal konservativ." Darauf die Bundeskanzlerin: "Ja, mal konservativ, mal liberal, mal christlich-sozial, und das macht die CDU aus."
"Kanzlerin in der Krise" - unter diesem Motto hatte Will Angela Merkel in ihre Sendung gebeten. Und die Kanzlerin nahm an. Es war eine mit Spannung erwartete Begegnung. Und Merkel hatte es nicht leicht. Was sollte die Kanzlerin auch antworten auf Fragen wie "Lassen Sie die Koalition platzen?" oder "Wie schlimm wird die Krise noch?" Merkel machte - nach einigen Startschwierigkeiten - das Beste daraus. Anfangs wirkte sie etwas irritiert, begegnete der Talkmasterin dann aber konzentriert. Nur einmal unterlief ihr ein Lapsus. Gefragt, ob es wirklich richtig gewesen sei, den Papst zu kritisieren, leitete Merkel ihre Antwort mit den Worten ein: "Das muss ich als deutsches Staatsoberhaupt ..." - hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne - und fuhr fort: "... oder besser gesagt als deutsche Bundeskanzlerin tun." Staatsoberhaupt ist der Bundespräsident. So etwas passiert ihr selten.
Als deutsche Kanzlerin sehe sie sich in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Antisemitismus und die Leugnung des Holocausts "nicht im Raum stehen" dürften. "Das muss ich als Bundeskanzlerin tun", sagte Merkel. "Dies habe ich mir nicht leicht gemacht und viel darüber nachgedacht." Ob diese Erklärung den aufgebrachten rheinisch-katholischen CDU-Flügel zufriedenstellen wird, bleibt abzuwarten.
Höflich, aber energisch zog Merkel die Sendung auf eine sachliche Ebene, die ihr so liegt. Und sie ließ die Schlagfertigkeit aufblitzen, die jeder kennt, der ihr schon einmal persönlich begegnet ist. Merkel zu den Boni, die deutsche Manager immer noch ungeniert beziehen: "Das Irre bei den Boni ist ja nun, dass wir früher dachten, die gibt es für Erfolg. Jetzt stellen wir fest, dass es sie auch für Misserfolg gibt." Dafür gab es im Publikum einen großen Lacher.
Vorgezogene Neuwahlen hingegen schloss die Kanzlerin gestern aus. Da sprach sie eines der wenigen Machtworte in der Sendung: "Ich als Bundeskanzlerin werde in dieser Koalition meine Aufgaben erfüllen, und zwar für die Zeit, für die wir gewählt sind", betonte sie. Und fügte lächelnd hinzu: "Ich kann nur jedem raten, genau dasselbe zu tun" - mit diesen Worten forderte Merkel den Koalitionspartner SPD indirekt zu einem Ende der Attacken auf die Union auf. CDU, CSU und SPD seien aufgefordert, "das zu tun, was für die Leute wichtig ist".
Zurückhaltend fiel Merkels Antwort aus, als Anne Will sie mit der wochenlangen unionsinternen Kritik, den ewigen Störfeuern von den Parteiflügeln konfrontierte. Schon Helmut Kohl habe schließlich gesagt "Es zählt, was hinten rauskommt": "So sehe ich das auch", sagte Merkel unternehmungslustig. Sie sei die Vorsitzende aller Parteiflügel der CDU - des liberalen, des konservativen und des christlich-sozialen, sagte sie mit Blick auf das vermeintliche rheinisch-katholische Herzzentrum der Partei. Beim Thema Opel gab sich Merkel als Ordnungspolitikerin, die aber dem angeschlagenen Konzern helfen will, wenn denn die Koordinaten dafür stimmen.
Eine direkte staatliche Beteiligung an Opel lehnte Merkel mit den Worten ab: "Die Absicht haben wir zurzeit nicht." Sie sehe dafür auch keine Notwendigkeit. Sie freue sich auf ihren Besuch am 31. März bei dem Autobauer in Rüsselsheim - das war einer der wenigen Momente, wo sie Gefühle zeigen wollte. Einen anderen, durchaus bemerkenswerten, gab es auch noch. Als die Kanzlerin über ihre Partei sprach:
"Ich hab sie einfach gern, die CDU, das ist meine Heimat."
Der Bielefelder Meinungsforscher Klaus-Peter Schöppner zog gegenüber dem Abendblatt ein gemischtes Fazit: "Merkel demonstriert in der Opel-Frage einen klaren ordnungspolitischen Kurs. Damit stützt sie die Wirtschaftskonservativen in ihrer Partei - und sie stellt sich gegen jede Art von Wettbewerbsverzerrung. Bei anderen Themen geht sie aber zu wenig auf die Stammwähler ein."