Angela Merkel versucht sich ein wenig im “Basta“- Sagen. Weltweite Wirtschaftskrise, Angst bei Opel, Knatsch in der Koalition und Gegrummel in den eigenen Reihen: Ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl steht die Kanzlerin mitten in den wohl größten Herausforderungen ihrer Amtszeit.
Berlin. "Diese Krise ist da und ich bin die Bundeskanzlerin" - mit dem kurzen wie klaren Satz will sie am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Anne Will" ihren Führungsanspruch bekräftigen. Ist sie auch die richtige Kanzlerin in der Krise? "Ja, ich glaube schon." Das klingt zwar ein wenig unentschieden, aber Merkel macht umgehend deutlich: Eine vorgezogene Neuwahl kommt für sie nicht in Frage, und die Koalitionäre sollen sich am Riemen reißen - auch die CSU.
Für Wahlkampf ist noch keine Zeit. Die Attacken Merkels auf den Koalitionspartner SPD fallen deshalb eher milde aus. SPD- Kanzlerkandidat und Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier solle "nicht so viel rummosern", fordert sie. Von SPD-Chef Franz Müntefering will sie wissen, "ob er noch was Konstruktives in petto hat", um Lösungen in der Krise zu finden. Heftiger fallen die Angriffe ausgerechnet gegen den Wunschpartner FDP aus. Merkel hat kein Verständnis dafür, dass die Liberalen das Banken-Enteignungsgesetz kritisieren und im Bundesrat möglicherweise blockieren wollen. "Das finde ich absurd." Die FDP habe hier keine Antwort. Doch Merkel beteuert zugleich: Die größten Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Union und FDP.
Fehlendes Profil - das unterstellen ihr Sozialdemokraten und viele in der Union. "Unsinn" sei das, sagt Merkel. "Ich hab' auch eine klare Vorstellung davon, wohin dieses Land gehen muss." Doch es scheint ein wunder Punkt zu sein, denn sie verteidigt die mögliche Enteignung der Bank Hypo Real Estate (HRE), ihre Kritik am Papst und ihren Umgang mit Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach. Erst ein Interview in der "Bild"-Zeitung vor knapp zwei Wochen, dann am Sonntag vor einer Woche im Deutschlandfunk, jetzt im Talk bei Anne Will: Merkel will zeigen, wer am Steuer sitzt - wenn auch erst jetzt, da die Debatte schon mehrere Wochen alt ist.
Erstmals seit mehr als zwei Jahren versucht die CDU-Vorsitzende, ihre Politik in einer Talkshow vor einem Millionenpublikum zu erklären. Eine Stunde lang sitzt sie bei Anne Will. Ein Schelm, wer das nur als Antwort auf Steinmeiers Auftritt bei "Beckmann" sehen will. Zuletzt war Merkel Ende 2006 in mehreren Talkshows aufgetreten. Damals konnte sie auf das erste Jahr ihrer Regierung zurückblicken, die Koalitionäre arbeiteten noch ohne großen Streit ihre Projekte ab. Die Zahl der Arbeitslosen war unter die Vier-Millionen-Marke gefallen. Merkel sieht nun noch kein Ende der Krise und rechnet mit steigender Arbeitslosigkeit, doch sie zieht eine positive Zwischenbilanz der bisherigen Krisenarbeit - nicht zuletzt auch vor dem G20-Gipfel in London Anfang April.
So sehr nimmt sie die Rolle der "Krisen-Kanzlerin" ein, dass ihr ein Fauxpas unterläuft. "Das muss ich als deutsches Staatsoberhaupt - oder besser gesagt als deutsche Bundeskanzlerin - tun", sagt Merkel, als es um ihre Kritik am Umgang des Papstes mit dem Holocaust-Leugner Bischof Richard Williamson geht. Doch sie weiß um die Seele ihrer Partei und will sie besänftigen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble räumte am Wochenende ein, dass es in der Union nicht ganz glatt läuft. "Wenn Sie die Union mit einem Testfahrzeug vergleichen, dann sind wir gerade auf der Rüttelstrecke", sagte er dem "Spiegel". Merkel macht ihrer Partei in dieser Lage eine Art Liebeserklärung: "Ich hab' sie einfach gern, die CDU, das ist meine Heimat." Und sie betont, die Vorsitzende aller Parteiflügel zu sein. Denn Merkel weiß: "Wir müssen noch zulegen" bis zur Bundestagswahl.
Nachdem CSU-Chef Horst Seehofer in der Union wieder ein wenig beigedreht und den Ton gezügelt hatte, löste er am Wochenende eine neue Koalitionsfrage aus: "Wenn es der SPD nicht mehr gefällt in der großen Koalition, soll es an der CSU nicht liegen, wenn sie aussteigen will." Das hatte Merkel gerade noch gefehlt. Und so gibt sie die Losung aus, bis zur Wahl weiter gemeinsam zu regieren. "Ich kann nur jedem raten, genau dasselbe zu tun" - das klingt zwar nicht wie ein "Basta" des Vorgängers Gerhard Schröder, aber deutlich schärfer als Merkel es bisher formulierte.