Kommandant der deutschen Soldaten ruft Nato-Jets zu Hilfe. Taliban hatten Tanklastzüge entführt. Opfer auch Zivilisten.
Kabul/Hamburg. Die Lage im Verantwortungsbereich der Bundeswehr im Norden Afghanistans ist am Freitag dramatisch eskaliert: Bei einem Luftschlag gegen die aufständischen Taliban, der von einem deutschen Offizier veranlasst wurde, sind nach afghanischen Angaben rund 90 Menschen getötet worden. Fast die Hälfte seien Zivilisten gewesen, hieß es. Die Bundeswehr sprach von mehr als 50 getöteten Aufständischen.
Der Befehl zu dem Luftschlag kam vom Kommandeur des deutschen Kontingents in Kundus. Zuvor hatte ein starker Stoßtrupp der radikalislamischen Taliban rund sechs Kilometer südwestlich des Bundeswehr-Stützpunktes zwei mit Treibstoff beladene Tanklastzüge in seine Gewalt gebracht. Die Taliban köpften zwei Fahrer und fuhren mit dem Dieselöl, das für die Bundeswehr bestimmt war, davon. Im Kundus-Fluss blieben sie jedoch stecken. Die Rebellen entschieden sich, den Sprit teilweise abzuzapfen, um die Fahrzeuge flottzumachen, und boten das Öl den Bewohnern eines nahen Dorfes an. Rund 250 Menschen sollen mit allen möglichen Gefäßen, darunter Kochtöpfen und Wassereimern, erschienen sein. Als die von der Bundeswehr angeforderten Kampfflugzeuge angriffen, explodierten die Lastwagen; sämtliche in der Nähe stehenden Menschen wurden zerrissen. Viele andere erlitten schwerste Verbrennungen.
Die Bundeswehr hat in Afghanistan keine eigenen Kampfflugzeuge, derartige Angriffe übernehmen Amerikaner oder Briten. Der deutsche Kommandeur wurde von der Bundeswehr in Berlin als "besonnener" Mann geschildert. Er sei "kein Hasardeur". Das Verteidigungsministerium erklärte, man könne davon ausgehen, dass er den Angriff zu einem Zeitpunkt angeordnet habe, als noch keine Zivilpersonen gefährdet waren. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte: "Wenn sechs Kilometer von uns entfernt die Taliban zwei Tankzüge in die Hand bekommen, bedeutet dies eine große Gefahr für uns."
Nato und Uno haben eine gründliche Untersuchung angekündigt. Die Nato-Schutztruppe Isaf und die afghanische Regierung richteten eine Kommission ein. Der afghanische Präsident Hamid Karsai verurteilte das Bombardement scharf: Angriffe auf Zivilpersonen seien "inakzeptabel".