Im Streit um die richtige SPD-Strategie im Bundestagswahlkampf fordert jetzt auch Schleswig-Holsteins Landeschef Ralf Stegner eine Kurskorrektur.
Berlin. Die Debatte um die richtige Wahlkampfstrategie der Sozialdemokraten kommt in Fahrt. Nach dem Hamburger SPD-Landesvorsitzenden Ingo Egloff hat gestern auch sein schleswig-holsteinischer Amtskollege Ralf Stegner gefordert, die Erfolge der Partei in der Großen Koalition stärker in den Mittelpunkt zu rücken. "Ich warne vor der Annahme, dass alle Wählerinnen und Wähler automatisch erkennen und honorieren, welchen Stempel wir Sozialdemokraten der Regierung aufgedrückt haben", sagte Stegner, der am 27. September als Spitzenkandidat bei den vorgezogenen Landtagswahlen ins Rennen geht. "In einem zentralen Punkt hat Ingo Egloff völlig recht: Es sind sozialdemokratische Ministerinnen und Minister, die mit ihrer Politik die Erfolge erzielt haben, mit denen Frau Merkel sich jetzt schmückt. Deshalb gilt es, im Wahlkampf die Leistungen der SPD in der Großen Koalition selbstbewusst zu vermitteln."
Egloff hatte im Hamburger Abendblatt gefordert, seine Partei müsse "eigene Leistungen viel energischer verkaufen, als das bislang passiert ist". Die SPD sei "in mancher Hinsicht zu bescheiden". Stegner ergänzte: "Dazu muss die notwendige offensive Auseinandersetzung mit Union und FDP kommen. Es ist gut, nicht so sehr die Gemeinsamkeiten, sondern eher die Unterschiede zu den Konservativen in der Kampagne herauszuarbeiten. Dabei geht es nicht darum, die Kanzlerin persönlich anzugreifen. Wohl aber die politischen Inhalte, für die sie steht. Das wird jetzt mit voller Kraft angegangen. Eine Regierung Merkel, Merz, Westerwelle, Guttenberg würde eine völlig andere Politik machen als eine Regierung mit starken Sozialdemokraten wie Frank Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz."
Arbeitsminister Olaf Scholz sagte zu Egloffs Kritik dem Abendblatt: "Wir wollen alle die Wahl gewinnen, darin sind wir uns einig. Der Wahlkampf beginnt jetzt. Herr Egloff hat nur markig rufen wollen: ,Jetzt geht's los.!' Diesem stimmen wir alle zu."
Eine Forsa-Umfrage hatte ergeben, dass die SPD derzeit nur 20 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen könnte. Auch laut dem neuen ARD-Deutschlandtrend hat die Vorstellung des SPD-Schattenkabinetts in der vergangenen Woche die Partei nicht aus dem Tief gebracht. Demzufolge verloren die Sozialdemokraten im Vergleich zur Vorwoche einen Prozentpunkt und kämen auf 23 Prozent. Die Union büßte ebenfalls einen Punkt ein, liegt mit 35 Prozent aber weiterhin mit großem Abstand vorn. Zusammen mit der FDP (16 Prozent/plus zwei) hätte sie derzeit eine Mehrheit für eine schwarz-gelbe Koalition. Drei Viertel der Befragten hielten zudem den am Wochenende bekannt gewordenen "Deutschland-Plan" von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier für unrealistisch. Allerdings habe er mit seiner Ankündigung, bis zu vier Millionen neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen, eine wichtige Diskussion angestoßen.
Steinmeier selbst verteidigte auf seiner Wahlkampf-Tour die Pläne. "Ich will mich nicht damit abfinden, dass Arbeitslosigkeit in dieser Größenordnung existiert", sagte der Außenminister in Braunschweig. "Wer sagt, mein ehrgeiziges Ziel Vollbeschäftigung sei Fantasialand, der hat die Interessen und Sorgen der Menschen nicht mehr im Blick."
Finanzminister Peer Steinbrück hielt Union und FDP vor, dem "Deutschland-Plan" nichts entgegenzusetzen. "Jedenfalls steht die SPD mit dem 'Deutschland-Plan' konkurrenzlos da", sagte er der "Neuen Presse". SPD-Chef Franz Müntefering rief seine Partei angesichts schwacher Umfragewerte zum Kämpfen um jede Wählerstimme auf. Es seien einige unterwegs, "die mit Zahlen versuchen, uns den Mut zu nehmen", sagte er in Erfurt.