Beim BDI bekommt der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten nur mäßigen Beifall. Die Liberalen bleiben betont reserviert.
Berlin. Am Sonntag wurde er noch von seinen Genossen umjubelt, doch gestern ist der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wieder in der Wirklichkeit des Wahlkampfs in Zeiten der Wirtschaftskrise ankommen. Steinmeier wurde an Tag eins nach dem SPD-Programmparteitag beim Bundesverband der Deutschen Industrie ein eher kühler Empfang bereitet.
Die 1200 Teilnehmer des "Tags der Deutschen Industrie" beklatschten Steinmeiers Auftritt allenfalls freundlich. Bei manchen Passagen regte sich keine Hand. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und FDP-Chef Guido Westerwelle, die ebenfalls auftraten, konnten sich über mangelnden Beifall hingegen nicht beklagen. Steinmeier musste insbesondere zur Kenntnis nehmen, dass keinerlei Applaus erschallte, als er vor der Unternehmern für eine der Kernforderungen des SPD-Wahlkampfprogramms warb - nämlich höhere Steuern für Gutverdienende, um damit Bildungsmaßnahmen zu finanzieren. Am Tag zuvor hatte er in seiner Rede noch erklärt, dass viele Gutverdiener dazu nach seinem persönlichen Eindruck sehr wohl bereit seien.
Die FDP bemühte sich ebenfalls, Distanz zu den Sozialdemokraten aufzubauen. "Das Wahlprogramm der SPD ist eine komplette inhaltliche Absage an die Freien Demokraten", sagte Generalsekretär Dirk Niebel nach der Präsidiumssitzung seine Partei. Der SPD-Parteitag habe erneut das Problem der mangelnden Glaubwürdigkeit der SPD gezeigt. Die Partei regiere seit elf Jahren und stelle seitdem den Finanzminister. Dennoch mache sie "nebulöse neoliberale Ideologien verantwortlich für die Finanzkrise". Die FDP wende sich ausdrücklich auch an die Anhänger der SPD, die von Altkanzler Gerhard Schröder "als neue Mitte geködert wurden". "Wir wollen ihnen eine politische Heimat bieten", sagte Niebel.
Der Parteivorsitzende Westerwelle, auf den Steinmeier bei der BDI-Veranstaltung traf, lästerte in seiner Rede über das Vorhaben der Genossen, Bildungsmaßnahmen über Steuererhöhungen zu finanzieren. "Eine Regierung, die fünf Milliarden Euro für alte Autos übrig hat, soll nie wieder erzählen, dass sie kein Geld für Bildung hat", rief er unter dem Applaus der Gäste aus.
SPD-Chef Franz Müntefering hatte am Sonntag nach dem Parteitag das Festhalten an der Option einer Ampelkoalition bekräftigt. Wenn die SPD stark genug sei, "dann wäre eine Zusammenarbeit mit den Grünen und nötigenfalls mit den Grünen und der FDP, also eine Ampel, möglich", sagte er dem Sender Phoenix. Müntefering hofft, dass die FDP diesmal zu Verhandlungen bereit sei, wenn es für Schwarz-Gelb nicht reicht. Dafür habe er auch 2005 bereits geworben.
Merkel hielt sich in ihrer Rede aus dem Steuerstreit heraus. Wenn künftiges Wachstum Mehreinnahmen generiere, müssten diese zunächst in die Haushaltskonsolidierung und in Investitionen für Innovationen und Bildung fließen. Erst dann komme eine mögliche steuerliche Entlastung. Während Merkel sich - dem CDU-Wahlkampfkonzept entsprechend - staatstragend gab, kritisierte ihr Generalsekretär Ronald Pofalla im "Deutschlandfunk" den Plan der SPD, einen Richtungswahlkampf zu führen. Das könne allein deshalb nicht funktionieren, weil die SPD eine Ampelkoalition mit FDP und Grünen genauso wenig ausschließe wie die Fortführung der Großen Koalition. "Wie da ein Lagerwahlkampf entstehen soll, erschließt sich mir nicht."
Die Grünen lobten indes den Kampfeswillen der SPD. "Ich bin froh, dass die SPD den Startschuss zum Kämpfen gegeben hat", sagte Fraktionschefin Renate Künast der "Berliner Zeitung". SPD-Fraktionschef Peter Struck zeigte sich im ZDF optimistisch, dass der "Schwung der Rede von Frank-Walter Steinmeier" die Partei durchtrage bis zur Bundestagswahl. Den Auftritt beim BDI meinte er damit nicht.