Um allen jungen Menschen eine Chance auf einen Job zu verschaffen, fordert Bundesarbeitsminister Olaf Scholz eine Qualifizierungsoffensive.
Hamburg. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) hat eine Qualifizierungsoffensive für die junge Generation angekündigt. „Wir werden sicherstellen, dass jeder junge Deutsche zwischen 20 und 29 Jahren entweder Abitur oder zumindest eine qualifizierte Ausbildung haben wird“, sagte Scholz im Interview mit dem „Hamburger Abendblatt“ (Montag-Ausgabe). Man brauche deshalb eine Qualifizierungsoffensive. Scholz plant zudem, das Personal an Universitäten aufzustocken. „Wir werden im Bereich der Naturwissenschaften viele zusätzliche Stellen an Universitäten schaffen“, sagte Scholz. „Wir brauchen dringend mehr Spezialisten in Mathematik und Technik.“
Mit Blick auf den von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier vorgestellten „Deutschland-Plan“ bekräftigte Scholz das Vorhaben seiner Partei, bis 2020 vier Millionen Arbeitsplätze zu schaffen. Er glaube fest daran, „dass wir bis 2020 Vollbeschäftigung schaffen können“, sagte der Minister. Scholz kündigte außerdem an, die Unternehmen enger an der Forschung zu beteiligen. „Wir werden Cluster schaffen aus Forschung, Wirtschaft und Staat“, so der Minister. Die Politik sei nicht allmächtig und könne nicht alles finanzieren. „Sie braucht die Bereitschaft der Wirtschaft, neue Wege zu gehen.“
Als wachsende Arbeitsmärkte bezeichnete Scholz die umweltverträglichen Technologien zur regenerativen Energieerzeugung und die Entwicklung der Elektromobilität. „Ein riesiger Arbeitsmarkt“ entstehe auch in der Alten- und Krankenpflege. „Das Beschäftigungsbild in Deutschland wird im Jahr 2020 enorm vom Gesundheitsbereich bestimmt sein“, so Scholz. Der Bedarf an Fachkräften im Gesundheitsbereich werde daher enorm steigen, weshalb man auch hier in Ausbildungen investieren werde.
Scholz warnte zugleich vor einem Fachkräftemangel in den klassischen Ausbildungsberufen und in den Ingenieursberufen. Dieser könne zu einer Wachstumsbremse führen. „Es wäre ein kapitaler Fehler der Wirtschaft, wegen der aktuellen Krise nicht mehr auszubilden. Es muss jetzt um mehr gehen, als darum, nur Arbeitsplätze zu sichern“, mahnte Scholz die Unternehmen.
Die entsprechenden Interviewpassagen im Wortlaut:
Hamburger Abendblatt: Steinmeier stellt Vollbeschäftigung in Aussicht. Können Sie als Arbeitsminister jetzt noch gut schlafen?
Scholz: Ja, klar. Frank-Walter Steinmeier hat sich systematisch damit beschäftigt, wo noch zu wenige Arbeitslätze entstehen und damit, was wir ändern müssen. Sein Programm ist das Ergebnis einer langen, intensiven Vorbereitung, an der auch viele Experten aus der Wirtschaft mitgewirkt haben. Eins ist doch klar: Die Politik ist nicht allmächtig und kann nicht alles finanzieren. Sie braucht die Bereitschaft der Wirtschaft, neue Wege zu gehen. Aber die Politik darf Chancen nicht ungenutzt lassen.
Hamburger Abendblatt: Wo sehen Sie diese Chancen?
Scholz: Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands beruht auf dem Exportgeschäft. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass das so bleibt. Wir wollen in die zukünftigen Wachstumsbranchen investieren, etwa in die Energiewirtschaft. Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn wir weniger Ressourcen verbrauchen für unsere Produktion, werden wir automatisch wettbewerbsfähiger. Ein entscheidendes Wachstumsfeld ist daher die sogenannte Green Technology, also umweltverträgliche und nachhaltige Technologien zur regenerativen Energieerzeugung. Auch in der Entwicklung der Elektromobilität muss Deutschland Innovationsführer werden.
Hamburger Abendblatt: Aber schaffen diese Branchen auch massenhaft Arbeitsplätze?
Scholz: Ja, die Wachstumsraten sprechen dafür. Wir brauchen zudem die Universitäten. Wir werden Cluster schaffen aus Forschung, Wirtschaft und Staat. Es geht nicht darum, mit Staatshilfe künstlich einen Markt zu schaffen, sondern die Möglichkeiten der Märkte zu nutzen. Wir erfinden nicht, wo in Zukunft Arbeitsplätze entstehen sollen. Sondern wir schauen genau hin: Wo entsteht hier ein Markt? Wo verändern sich Märkte? Es geht darum, die Privatwirtschaft zu unterstützen, mit Ausbildungen und mit Forschung.
Hamburger Abendblatt: Was heißt das konkret?
Scholz: Wir werden im Bereich der Naturwissenschaften viele zusätzliche Stellen an Universitäten schaffen. Und nicht nur dort. Wir brauchen dringend mehr Spezialisten in Mathematik und Technik.
Hamburger Abendblatt: Damit kommen wir aber noch nicht auf vier Millionen Arbeitsplätze.
Scholz: Der Dienstleistungssektor ist der größte und wichtigste Bereich für neue Arbeitsplätze. Der Bedarf an Fachkräften im Gesundheitsbereich wird enorm steigen. In der Alten- und Krankenpflege entsteht ein riesiger Arbeitsmarkt. Daher werden wir in Ausbildung investieren. Das Beschäftigungsbild in Deutschland wird im Jahr 2020 enorm vom Gesundheitsbereich bestimmt sein.
Hamburger Abendblatt: Sie haben schon vor Veröffentlichung des Deutschland-Plans vor einem Fachkräftemangel gewarnt. Hat die Wirtschaft die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt?
Scholz: Ich höre ständig Verbandsfunktionäre, Wissenschaftler und Politiker sagen, uns fehlen die Fachkräfte. Das einzige Rezept dagegen lautet: Bildet aus! Ich sehe aber auch, dass das Problem schon an den Schulen beginnt. Wir müssen dringend etwas daran ändern, dass jedes Jahr 60 000 junge Menschen die Schule ohne Abschluss verlassen. Wir brauchen deshalb eine Qualifizierungsoffensive. Wir brauchen jeden Bürger in diesem Land. Wir werden sicherstellen, dass jeder junge Deutsche zwischen 20 und 29 Jahren entweder Abitur oder zumindest eine qualifizierte Ausbildung haben wird.
Hamburger Abendblatt: In welchen Branchen wird Deutschland Arbeitsplätze verlieren?
Scholz: Schwer zu sagen. Der drohende Fachkräftemangel in den klassischen Ausbildungsberufen und in den Ingenieursberufen kann zu einer Wachstumsbremse führen. Es wäre ein kapitaler Fehler der Wirtschaft, wegen der aktuellen Krise nicht mehr auszubilden. Es muss jetzt um mehr gehen, als darum, nur Arbeitsplätze zu sichern.
Hamburger Abendblatt: Wie viele Arbeitslose hat Deutschland demnach im Jahr 2020, wenn die SPD bis dahin mitregiert?
Scholz: Ich gehöre nicht zu den Politikern, die sich mit spitz gerechneten Voraussagen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit die Finger verbrennen wollen. Aber ich glaube fest daran, dass wir bis 2020 Vollbeschäftigung schaffen können. Wir müssen nur jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, und wir müssen mutig sein.