Die Parteispitze trifft sich zu einer Klausurtagung. Als krönender Abschluss ist ein Fototermin des sogenannten Teams Steinmeier avisiert.
Berlin. Die Sozialdemokraten wollen bereits in dieser Woche - und damit einen halben Monat eher als geplant - in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs starten. Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier versucht nach seinem Urlaub in Tirol einmal mehr in die Offensive zu kommen. In diesem Fall mit der Präsentation eines - seines - Schattenkabinetts.
Morgen und am Donnerstag trifft sich die Parteispitze zu einer Klausurtagung in Potsdam-Hermannswerder. Als krönender Abschluss ist ein Fototermin des sogenannten Teams Steinmeier im örtlichen Inselhotel avisiert. Zunächst hatte es intern Debatten darüber gegeben, ob die Aufstellung einer solchen Mannschaft überhaupt hilfreich sei - schließlich ist die SPD nicht Oppositionspartei. Als Argumentationshilfe mochten den Befürwortern einer solchen Equipe aber die stetig weiter sinkenden Umfragewerte für Steinmeier gegolten haben. Doch mit größeren Coups, die die Republik elektrisieren könnten, wird in Berlin nicht gerechnet. Als Überraschung gilt allenfalls das Engagement der bis dato weithin unbekannten 35-jährigen Manuela Schwesig, über das der "Spiegel" vorab Kenntnis erlangte.
Die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern soll das Gegenmodell zur beliebten CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen geben. Lange hatte die Parteiführung nach einer geeigneten Kandidatin für diesen Job gesucht. Schwesig ist Mutter eines zweijährigen Sohnes, sie steht anders als von der Leyen nicht für eine konservative heile Welt. Ob das reicht, um den in den Umfragen taumelnden Genossen Auftrieb geben zu können, wird aber bezweifelt. Die anderen Mitglieder des Schattenkabinetts dürften großteils alte Bekannte sein. Steinmeier kommt ja nicht umhin, sämtliche SPD-Kabinettsmitglieder in die Mannschaft zu holen. Alles andere würde peinliche Fragen nach dem Verbleib und der Leistungsbilanz provozieren. Zur Beruhigung des linken Parteiflügels soll zudem die stellvertretende Bundesvorsitzende Andrea Nahles mit an Bord kommen. Da deren eigentliches Kompetenzfeld - Arbeit und Soziales - von Minister Olaf Scholz aber im Alleingang bespielt wird, spekuliert man in der SPD, sie könne sich vielleicht um Kulturthemen kümmern.
Es ist noch nicht einmal unwahrscheinlich, dass Nahles sich aus Kalkül auf so etwas einlässt. Denn die "mächtigste Linke der Republik" ("Die Welt") legt bis zum Wahltag vor allem auf eines Wert: sich nicht vorwerfen lassen zu können, die Bemühungen der eigenen Partei untergraben zu haben. Sollten die Sozialdemokraten aber bei den derzeit prognostizierten 24 Prozent der Stimmen bleiben und den Gang in die Opposition antreten, dürfte der von Nahles angeführte linke Flügel der Partei aber die Machfrage stellen. Die Debatten darum werden bereits leidenschaftlich geführt. Und zwar so vernehmbar, dass Umweltminister Sigmar Gabriel sich bereits genötigt sah, seine Partei zu ermahnen, dass jetzt nicht die Zeit für solche Spekulationen sei. Aufmerksam wurde in der SPD zuvor registriert, dass Nahles in einem Interview des Hamburger Abendblatts im Juni auf Distanz zu den Plänen von Franz Müntefering ging, der sehr frühzeitig angekündigt hatte, im November erneut für den Parteivorsitz antreten zu wollen. Seither wird selbst eine Kampfkandidatur zwischen beiden nicht mehr ausgeschlossen.
Dass eine Neuaufstellung unabdingbar ist, liegt zwar auch angesichts des fortgeschrittenen Alters von Müntefering auf der Hand. Der bald 70-Jährige könnte aber von jenen Parteitagsdelegierten noch einmal gestützt werden, die gerade in Krisenzeiten einen planvolleren Übergang bevorzugen. Dass Steinmeier im Falle einer Wahlniederlage den Partei- oder Fraktionsvorsitz übernimmt, gilt als unwahrscheinlich. Er würde dann wohl den Makel des Verlierers nicht loswerden, heißt es. Aussichten auf den frei werdenden Fraktionsvorsitz kann sich das bierzelttaugliche Universaltalent Gabriel machen. Genannt wird aber auch der parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann.
Sollte es nicht zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommen, ist in sämtlichen Personalspekulationen aber noch ein anderer ganz vorn dabei: Hamburgs SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz. Der Arbeitsminister demonstriert seinen Genossen mit Vorstößen wie der Ausweitung des Schonvermögens für Hartz-IV-Empfänger gerade, wie ein markanter Wahlkampf geführt werden kann. Der Mann, der sich von keinem Flügel vereinnahmen lässt und deshalb für viele als wählbar gilt, kommt für fast jedes Amt infrage. Und Steinmeier? Bleibt immer ein Mann der Verwaltung, heißt es.