Laut Medienberichten sind in der NPD bis zu 100 V-Leute aktiv. Sie bilden das Haupthindernis für ein neues Verbotsverfahren gegen die Partei.
Köln. Bis zu 100 V-Leute des Verfassungsschutzes sollen in der NPD aktiv sein. Die Zahl liege "im oberen zweistelligen Bereich“ und damit noch höher als 2003, als bis zu 15 Prozent der Mitglieder in Landes- und Bundesvorständen der Nationaldemokraten für den Staat spitzelten, berichteten Medien unter Berufung auf Berliner Sicherheitskreise. Die Zahl sei in führenden Koalitionskreisen bestätigt worden.
Die V-Leute gelten als Haupthindernis für ein neues NPD-Verbotsverfahren. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihren Einsatz bei der rechtsextremen Partei im Jahre 2003 zum Anlass genommen, das Verbot gar nicht erst zu prüfen. Im Lichte der jüngsten Nachrichten über Rechtsterrorismus in Deutschland und Versäumnisse des Verfassungsschutzes wird wieder über ein Verbotsverfahren diskutiert. Die Partei hatte zuletzt etwa 6600 Mitglieder.
9500 gewaltbereite Rechtsextreme
Im Verfassungsschutzbericht 2010 geht das Bundesinnenministerium von 9.500 gewaltbereiten Rechtsextremen und einer wachsenden Gewaltbereitschaft aus: „Insgesamt lässt sich ein Anstieg des Gewaltpotenzials sowie der Bereitschaft, Gewalt auch zur Durchsetzung der eigenen politischen Ziele einzusetzen, beobachten,“ heißt es in dem Bericht. Er weist darauf hin, dass die Affinität von Rechtsextremisten zu Waffen und Sprengstoff ein „latentes Gefährdungspotenzial“ bilde. Deshalb seien Taten von Einzelaktivisten nicht auszuschließen.
Im Hinblick auf Rechtsterrorismus heißt es in dem Bericht: „Auch 2010 waren in Deutschland keine rechtsterroristischen Strukturen feststellbar. Insgesamt ordnet der Bericht 16.375 Straftaten dem Bereich “Politisch motivierte Kriminalität – rechts„ zu. Mit 11.401 Taten fällt der größte Teil davon unter Propagandadelikte. 806 der Straftaten werden als Gewalttaten bewertet. Die meisten (15.905) der 16.375 Taten hatten laut Verfassungsschutzbericht einen extremistischen Hintergrund. Diese Zahl ging im Vergleich zum Vorjahr zurück. Ebenfalls rückläufig war das “Personenpotenzial„ der Rechtsextremen insgesamt, mit Ausnahme der Neonazis.
Ende 2010 gab es dem Bericht zufolge in Deutschland 219 rechtsextremistische Organisationen und Gruppierungen. Der Verfassungsschutz geht von insgesamt 25.000 Rechtsextremisten aus.
Pannen beim Verfassungsschutz
In Thüringen und in Niedersachsen tauchten gestern weitere Fragen in dem Fall der Mordserie auf. Der niedersächsische Verfassungsschutz räumte Fehler bei der Fahndung nach den Thüringer Tätern ein. Der nach Niedersachsen gezogene Holger G. sei schon 1999 als Freund des untergetauchten Neonazi-Trios ausgemacht worden, bei dem Fahnder zuvor eine Bombenwerkstatt ausgehoben hatten. G. wolle Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe ein Quartier im Ausland vermitteln, war der Verdacht. Auftragsgemäß behielten die Niedersachsen Holger G. im Blick und erstatteten den Thüringern Bericht. Doch der Fall wurde dann nicht weiterverfolgt und G. nur als "Randfigur" bewertet, räumte Verfassungsschutzpräsident Hans Wargel ein.
Warum beim Begriff Rechtsterrorismus nicht alle Alarmglocken angegangen seien und warum der Staatsschutz nicht eingeschaltet wurde, müsse untersucht werden, sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Statt abgehörter Telefone und verdeckter Ermittlungen gab es vor allem Bürokratie - bis hin zum Löschen der Akte. Dabei waren den Fahndern die Verbindungen von G. zu den Neonazis längst bekannt - nur seien es wohl immer unterschiedliche Kollegen gewesen, die observierten und Daten sammelten, erklärte Wargel.
+++ Niedersachsens fatale "Dienstleistung an Thüringen" +++
Holger G. sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Er wurde Sonntag festgenommen. G. soll den mutmaßlichen Tätern 2007 seinen Führerschein und vor vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt und mehrfach Wohnmobile für das Trio angemietet haben. Ob eine weitere Überwachung nach 1999 die Täter hätte auffliegen lassen und die Morde verhindern können, ist unklar. Mundlos und Böhnhardt sind tot, sie haben sich laut Polizei umgebracht. Zschäpe sitzt in Untersuchungshaft. Ausgesagt hat sie bisher nicht.
Nicht nur in Niedersachsen, auch in Thüringen wird der Ton nach den Pannen der Ermittler schärfer. Innenminister Jörg Geibert (CDU) moniert, schon bei den Wohnungsdurchsuchungen bei dem Trio 1998 wegen Sprengstoffdelikten sei einiges schiefgelaufen. Es sei "unerklärlich, warum die Staatsanwaltschaft Gera nicht vorher einen Haftbefehl ausstellte", sagte der CDU-Politiker der "Thüringer Allgemeinen".
Rückendeckung bekam der Thüringer Verfassungsschutz vom amtierenden Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum. Es gebe bisher keine Hinweise für eine Zusammenarbeit der beiden inhaftierten Verdächtigen Beate Zschäpe und Holger G. mit dem Nachrichtendienst, sagte Griesbaum der "Badischen Neuesten Nachrichten".