Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Kanzlerin Angela Merkel befinden sich in ihrer schwierigsten Mission: Die Rettung des Euro.
Berlin. Für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beginnt der Marathon zur Euro-Rettung mit einem Rüffel aus Luxemburg. "Die Außenwirkung ist desaströs", schimpft Ministerpräsident Jean-Claude Juncker am Freitag vor den Beratungen der 17 Finanzminister der Euro-Staaten. "Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten nicht zwei Anläufe gebraucht." Die Adresse von Junckers Tirade: Deutschland. Die Bundesregierung hatte mitgeteilt, dass über die Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF wegen Differenzen mit Frankreich nicht am Sonntag, sondern erst am Mittwoch entschieden werden solle. Schäuble und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sind bis dahin gefordert: Sie müssen reden. Und verhandeln. Mit Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy, mit den Euro- und EU-Staaten - und mit den eigenen Leuten. Schon der Auftakt gerät hektisch.
+++ Merkel bleibt hart: Keine Banklizenz für den ESFS +++
Es ist gerade erst hell geworden, als sich die Fraktionen von Union und FDP am frühen Freitagmorgen um 7.30 Uhr im Reichstagsgebäude zu Sonderberatungen zurückziehen. Bei Kaffee, Saft und belegten Brötchen geht es um ein heikles Thema: die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF. Auch die Bundeskanzlerin ist da. Sie eilt zwischen den Sälen hin und her - und muss beruhigen. Der Zwist zwischen Frankreich und Deutschland über die Frage, wie man die Wirksamkeit des Rettungsfonds vergrößern kann, ohne die Garantiesumme von 780 Milliarden Euro zu übersteigen, hat nicht nur die Märkte, sondern auch die Parlamentarier in Nervosität versetzt. Sie haben Angst, dass sich der Kreditrahmen des deutschen Steuerzahlers doch noch vergrößern könnte. Deutschland wünscht sich für den Fonds einen Kredithebel in Form einer Art Versicherungsfunktion, die private Käufer von Staatsanleihen anlocken und damit das Volumen erhöhen soll. Das könnte den EFSF auf zwei Billionen Euro aufpumpen. Frankreich setzt dagegen auf eine Banklizenz, sodass sich der EFSF Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen könnte. Merkel lehnt das rigoros ab.
Dass es ein Zerwürfnis zwischen Kanzleramt und Élysée-Palast gebe, dementiert Merkel jedoch: "Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit" in der Bekämpfung der Euro-Krise. Das sei der einzige Grund für die Verzögerung. Die FDP hat dennoch erhöhten Beratungsbedarf. Die angesetzte Bundestagsdebatte wird von 9 Uhr auf 9.15 Uhr verschoben. Die Grünen scheitern darin mit einem Antrag, auch das Parlament über die EFSF-Erweiterung abstimmen zu lassen. Glück für die Kanzlerin: Für das Schwarz-Gelb wäre das ein weiterer Härtetest geworden. Jetzt muss nur der Haushaltsausschuss zustimmen - das ist wichtig, damit sich Merkel in Brüssel mit ihren EU-Kollegen einigen kann. Ohne Absprache zwischen Merkel und Sarkozy fehlt wiederum dem Haushaltsausschuss die Grundlage.
Mit zwei Minuten Verspätung landet der Airbus A319 der Kanzlerin um 14.32 Uhr auf dem Frankfurter Flughafen. Merkel ist mit Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aus Berlin gekommen, um die neue Landebahn einzuweihen. Es ist kalt und diesig. Am Morgen hing der Nebel dicht über der Stadt. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) holen die Kanzlerin ab. Merkel spricht ein Grußwort. Viel Zeit hat sie nicht.
Währenddessen tagt in der Hauptstadt der Haushaltsausschuss. Die Sitzung geht bis in den Nachmittag hinein. Das Ergebnis: Mit der Mehrheit von Union und FDP und gegen die Stimmen von SPD, Grünen und Linken werden die Leitlinien des EFSF, die im Abgeordneten-Jargon als "Guidelines" firmieren, angenommen. "Durchpeitschen" nennt die Opposition das Verfahren. Zwar ist in den Guidelines eine Art Gebrauchsanweisung für den EFSF vorhanden, sie enthalten aber keinerlei Angaben über die geplante Hebel-Erweiterung. Diese werden jetzt wohl beim Brüsseler Gipfel am Sonntag vorbereitet und kommende Woche entschieden werden. Der Haushaltsausschuss wird dann erneut tagen müssen.
Wolfgang Schäuble sendet Friedenssignale. Bei dem Treffen mit seinen 16 Finanzminister-Kollegen der Euro-Zone sagt er, es gebe keinen Streit mit Paris über die Hebelung des Euro-Rettungsfonds. "Frankreich und Deutschland sind in ihren Positionen überhaupt nicht verhakt." Wann die Maßnahmen gegen die Euro-Krise stehen? "Wir wissen alle, dass wir die notwendigen Entscheidungen für Europa vor dem G20-Gipfel in Cannes am 3. und 4. November zustande bringen müssen." Am Sonnabend tagt er mit den 27 EU-Finanzministern. Neben dem Streit um den Rettungsschirm muss er sich auch mit den Problemen der Banken und dem zweiten Hilfspaket für Griechenland beschäftigen. Auch dabei geht es um Milliarden - alles Geld des Steuerzahlers.
Um 19 Uhr kommen Merkel und die Spitzen der schwarz-gelben Koalition im Kanzleramt zusammen. Im Grunde ein Krisentreffen, auch wenn es keiner so nennen mag. Themen neben dem Euro: Steuern, Maut, Pflege. Bei allem liegt Schwarz-Gelb seit Langem über Kreuz. Ein langer Tag geht zu Ende - und eine lange Nacht beginnt.