Das Kabinett billigt umstrittenen Fonds EFSF. Deutschland soll mit 211 Milliarden Euro bürgen. Abendblatt klärt die wichtigsten Fragen.
Berlin. In Deutschland ist der erste Schritt zur Aufstockung des Euro-Rettungsschirms getan. Die Bundesregierung billigte gestern die umstrittene Gesetzesänderung, mit der die von den EU-Staats- und Regierungschefs vereinbarte Stärkung des Fonds umgesetzt werden soll. Der sogenannte EFSF soll künftig Anleihen kriselnder Euro-Länder aufkaufen, vorsorglich Kredite verleihen und Staaten Geld zur Stabilisierung ihrer Banken bereitstellen können. "Die Bundesregierung hat damit ihre Entschlossenheit bekräftigt, die Stabilität des Euro mit einem schlagkräftigen Instrumentarium auf Ebene der Euro-Zone zu sichern", versuchte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Wogen zu glätten. Nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch die Parlamente der anderen 17 Euro-Staaten müssen noch zustimmen. Das Abendblatt erklärt, worum es bei dem neuen Rettungsschirm geht - und woran sich die Debatten entzünden.
Was ist der EFSF?
Die Buchstaben EFSF stehen für die "Europäische Finanzstabilisierungsfazilität" - gesprochen wird aber zumeist schlicht von einem Euro-Rettungsschirm. Der EFSF wurde am 10. Mai 2010 - kurz nach dem gerade so abgewendeten Kollaps Griechenlands - bei einem Gipfeltreffen der EU-Finanzminister ins Leben gerufen, um die angeschlagene Währungsunion zu schützen. Ziel war es, Spekulationen auf eine Zahlungsunfähigkeit weiterer verschuldeter EU-Staaten zu stoppen. Der Euro-Rettungsfonds ist praktisch gesehen eine Zweckgesellschaft, die Notkredite an Schuldenstaaten vergibt. Geschäftsführer ist der Deutsche Klaus Regling. Der EFSF ist jedoch nur ein vorläufiger Rettungsschirm. Mitte 2013 soll er von dem dauerhaften Rettungsschirm ESM ("Europäischer Stabilitätsmechanismus") abgelöst werden.
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Wie funktioniert der EFSF?
Der Rettungsschirm gibt zinsgünstige Kredite an jene Länder, die wegen hoher Verschuldung auf den weltweiten Finanzmärkten Wucherzinsen zahlen müssten. Das Geld für die Kredite leiht sich der EFSF am Kapitalmarkt, die Euro-Länder sollen für die Kredite bürgen. Wenn ein Land Hilfe des Fonds beantragt, muss es dafür strenge Auflagen erfüllen und sich einem harten wirtschaftspolitischen Reformprogramm unterziehen.
Warum ist eine Reform nötig?
Die damals 16 Euro-Staaten erklärten sich im Mai 2010 zu Bürgschaften über 440 Milliarden Euro bereit, der deutsche Anteil betrug 19,4 Milliarden Euro. Der tatsächliche Kreditrahmen fiel aber geringer aus als gedacht: Die Rating-Agenturen berücksichtigten für ihre Bestnote "AAA" nur die sechs solidesten Eurostaaten Deutschland, Frankreich, Niederlande, Österreich, Luxemburg, Finnland. Deshalb reduzierte sich die Kreditsumme auf 250 Milliarden Euro. Im Juli 2011 wurde die Garantiesumme deshalb auf 780 Milliarden Euro erhöht, damit auch wirklich Kredite in Höhe von 440 Milliarden Euro vergeben werden können. Um das Spitzenrating zu erhalten, müssen die vom EFSF aufgenommenen Kredite übersichert sein. Deutschlands Anteil steigt auf 211 Milliarden Euro.
Welche neuen Instrumente kommen?
Das EFSF-Instrumentarium wird nach Schäubles Worten in engen Grenzen erweitert. "Es bleibt dabei: Kredite des Rettungsschirms gibt es nur bei einer Gefährdung der Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt", betonte er. Tatsächlich bekommt der EFSF jedoch drei neue Instrumente: Anders als bisher kann er künftig Staatsanleihen kriselnder Euro-Länder direkt bei den Regierungen oder an den Börsen kaufen, um den Kurs der Papiere zu stabilisieren. Staatsanleihen sind Schuldverschreibungen, mit denen sich der Staat am Kapitalmarkt Geld beschaffen kann. Zudem soll der Rettungsschirm den Regierungen besondere Kredite bereitstellen können, um ihre Banken zu rekapitalisieren. Drittens können sich Euro-Länder vorsorglich einen Kreditrahmen zusichern lassen, ohne ihn jedoch nutzen zu müssen. Dies soll die Finanzmärkte beruhigen.
Was hat der Schirm bisher gebracht?
Als erstes Land schlüpfte im November 2010 Irland unter den Schirm. Beschlossen wurden Hilfskredite in Höhe von 85 Milliarden Euro, im Gegenzug muss Irland hart sparen. Heute gilt die Grüne Insel als gerettet: Die Wirtschaft zieht an, zudem hat das Land bereits eine erste Zinszahlung von 50 Millionen Euro überwiesen. Noch nicht abzusehen ist ein Erfolg in Portugal: Im Frühjahr 2011 nahm das Land EFSF-Kredite in Höhe von 78 Milliarden Euro in Anspruch. Die Reformen stehen erst am Anfang. Die ersten Hilfen für Griechenland in Höhe von 110 Milliarden Euro wurden bereits vor der EFSF-Gründung notwendig und laufen deshalb über ein gesondertes Programm. Die zusätzlichen, im Sommer vereinbarten Hilfen in Höhe 109 Milliarden Euro werden ab Oktober jedoch über den Rettungsschirm abgewickelt. Trotz gewaltiger Sparanstrengungen ist die Staatsverschuldung noch immer rekordverdächtig - und steigt weiter.
Was kostet das den Steuerzahler?
Lasten für den Steuerzahler entstehen erst, wenn ein mit Hilfen gestütztes Land am Ende zahlungsunfähig wird und die Kredite nicht zurückzahlen kann. Da es sich nicht bei den 780 Milliarden Euro um eine Garantie oder Bürgschaft handelt, fließt zunächst kein "echtes Geld" aus dem Bundeshaushalt. Im Gegenteil dazu werden bei der Rückzahlung eines Kredits sogar Zinsen fällig, die die Garantiegeber am Ende für sich verbuchen können.
Warum ist der Fonds so umstritten?
Die Reform ist in jedem Fall ein Einschnitt - ob nötig oder unnötig, daran scheiden sich die Geister. Die Gegner sprechen von einem "Programm zur Vergemeinschaftung von Schulden in den Krisenstaaten der Euro-Zone", die Befürworter wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) halten das Projekt für absolut notwendig, um den Euro zu stärken. Kritiker befürchten zudem, dass die Steuerzahler bei einer Zahlungsunfähigkeit eines Schuldnerlandes ihre Milliarden Euro nie wiedersehen, und argumentieren auch mit ihrer Verantwortung gegenüber nachfolgenden Generationen. In Sachen Bundestagsbeteiligung, einem weiteren wichtigen Streitpunkt, verabredeten die Haushaltsexperten der schwarz-gelben Koalition gestern, dass Milliardenhilfen für andere Euro-Länder künftig nicht mehr ohne vorherige Zustimmung des Parlaments möglich sein sollen. Die Aktivierung der neuen Instrumente muss der Haushaltsausschuss absegnen. Können sie sich durchsetzen, werden der Regierung damit engere Fesseln angelegt. Schäuble hatte zuvor gewarnt, der Fonds dürfe nicht in seiner Handlungsfähigkeit blockiert werden.
Wann wird die Reform greifen?
Voraussichtlich im Oktober 2011. Auch wenn es Zweifler bei Union und FDP gibt, wird das Gesetz sehr wahrscheinlich den Bundestag passieren. Grüne und SPD haben ebenfalls ihre Unterstützung angekündigt. Die Abstimmung soll am 29. September stattfinden, einen Tag später kommt auch der Bundesrat zusammen.