Mehr Macht für Brüssel: Der deutsche Finanzminister plant offenbar, mehr Kompetenzen an die EU abzugeben. Nur ein Versuchsballon?

Berlin. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt unterstützt die Forderung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach einem neuen EU-Vertrag. „Gerade jetzt in der Schuldenkrise brauchen wir den nächsten Schritt zur Vertiefung der europäischen Integration“, sagte Hundt dem Hamburger Abendblatt (Sonnabend-Ausgabe). „Ein Maastricht II ist dringend erforderlich.“ Die Staaten der Euro-Zone müssten ein höheres Maß an Vergemeinschaftung in wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen zulassen.

Wenn gegen die europäischen Vorgaben einer soliden Haushaltspolitik verstoßen werde, müssten Sanktionen automatisch greifen, betonte Hundt. „Wer in Zukunft die Stabilitätskriterien verletzt und die gemeinsamen Vorgaben für eine europäische Währung nicht einhält, darf keine europäischen Hilfen erhalten.“

Als Antwort auf die Euro-Schulden-Krise plant Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) einem Zeitungsbericht zufolge weitreichende EU-Reformen. Schäuble habe in der Vorstandsklausur der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gesagt, dass eine weitere Übertragung von Zuständigkeiten in der Wirtschafts- und Finanzpolitik an Brüsseler EU-Instanzen nötig sei, berichtete die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Teilnehmer. „Auch wenn wir wissen, wie schwer eine Vertragsveränderung ist“, wird er zitiert.

Schäuble habe eingeräumt, dass sich die 17 Euro-Staaten mit einer solchen Vertragsänderung weit von den restlichen zehn EU-Staaten ohne Euro absetzen würden. Der EU-Vertrag von Lissabon war nur unter großen Schwierigkeiten zustande gekommen.

Ist das nur ein Versuchsballon, eine Art Test für die Zustimmung oder Ablehnung eines solchen Vorhabens? Oder hat Schäuble die Pläne für mehr Kompetenzen in Brüssel tatsächlich in der Schublade? Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich offenbar noch nicht durchringen können, wie sie sich zur weiteren Euro-Rettung und der Frage größerer Haushalt- und Finanzhoheit in Brüssel positionieren soll. Ist Schäubles Vorstoß auch ihrer?

Schäuble sieht außerdem trotz der stark gestiegenen Einnahmen von Bund und Ländern wenig Spielraum für Steuersenkungen. Vorrang habe weiter der Abbau der Neuverschuldung, bekräftigte Schäuble auf einer Veranstaltung in Berlin. Sollte sich Spielraum ergeben, werde etwas Zusätzliches gemacht. „Aber: Diese Spielräume sind relativ gering.“ Der Haushaltsexperte der FDP-Fraktion, Otto Fricke, sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“: „Es geht uns nicht um eine Steuersenkung um jeden Preis.“ Zugleich beharrte er: Seine Partei wolle nach Wegen suchen, untere und mittlere Einkommen zu entlasten. Ziel sei es, das gemeinsam mit dem Bundesrat zu tun. Notfalls solle der Solidaritätsbeitrag reduziert werden, da dafür die Zustimmung der Länderkammer nicht notwendig sei. (dapd/dpa/abendblatt.de)