Immer wieder überfallen Piraten im Indischen Ozean Handelsschiffe. Ein internationaler Militäreinsatz konnte das Problem bisher nicht lösen.
Angesichts zunehmender Piratenattacken wird ein stärkerer Einsatz privater Sicherheitskräfte auf deutschen Handelsschiffen immer wahrscheinlicher. „Die Tendenz geht weltweit dahin, sich gemeinsam für private Sicherheitskräfte zu öffnen“, sagte der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Hans-Joachim Otto (FDP), am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Eine endgültige Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Die Ampeln dafür seien „von rot auf gelb gestellt, aber noch nicht auf grün“.
Die Opposition äußerte sich kritisch. Grüne und Linke warnten davor, Kriegswaffen in private Hände zu geben. Die SPD forderte klare Regeln für einen solchen Einsatz. Die Reeder begrüßten dagegen, dass Bewegung in die Diskussion komme. Sie plädierten allerdings dafür, den Schutz ihrer Schiffe in erster Linie in den Händen des Staates zu belassen. „Wenn es zusätzlich privater Sicherheitskräfte bedarf, brauchen wir für deren Einsatz Rechtssicherheit“, erklärte der Hauptgeschäftsführers des Verbands Deutscher Reeder, Ralf Nagel.
Die Zahl der Angriffe somalischer Piraten auf Handelsschiffe am Horn von Afrika ist im ersten Halbjahr 2011 um fast zwei Drittel auf 163 gestiegen. Im Schnitt durchkreuzen fünf Schiffe deutscher Reedereien pro Tag diesen gefährlichsten Bereich der Weltmeere, der zugleich auf der weltweit wichtigsten Handelsroute liegt. Trotz mehrerer militärischer Anti-Piraterie-Missionen, an denen auch die Bundeswehr unter dem Dach der EU beteiligt ist, werden immer wieder Schiffe gekapert. Im ersten Halbjahr waren es 21.
Ein Drittel der deutschen Handelsschiffe setzt bereits auf wackliger rechtlicher Grundlage private Sicherheitskräfte ein. Jetzt überlegt die Bundesregierung, über die Änderung der Gewerbeordnung und des Waffenrechts gesetzliche Voraussetzungen für einen besseren Eigenschutz zu schaffen. Die zuständigen Ministerien loten derzeit allerdings auch andere Möglichkeiten wie einen stärkeren militärischen Schutz oder den Einsatz von Bundespolizisten auf den Schiffen unter deutscher Flagge aus.
„Es gibt da keine Tabus“, sagte Otto. Er warnte aber vor nationalen Alleingängen. „Das ist eine weltweite Herausforderung und das ist auch weltweit zu lösen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Im September stehe ein Treffen der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO an. Dann werde es mehr Klarheit geben. Erst anschließend sei eine nationale Gesetzgebung möglich. Es dürfe jetzt nicht zu „Schnellschüssen“ kommen.
Der Unions-Experte Hans-Peter Uhl (CSU) hatte zuvor der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch) von einer Einigung in der Koalition berichtet. Auf Nachfrage der dpa relativierte er aber, dass man sich lediglich auf parlamentarischer Ebene „politisch dem Grunde nach verständigt“ habe. Diskussionsbedarf gibt es noch in der FDP-Fraktion. Der Einsatz privater Sicherheitskräfte sei lediglich „eine mögliche Lösung“, sagte Fachsprecher Torsten Staffeldt der dpa.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert die Übernahme ehemaliger Soldaten in die Bundespolizei für den Schutz von Handelsschiffen. „Für mich ist das nach wie vor eine hoheitliche Aufgabe“, sagte der GdP-Vorsitzende Bernhard Witthaut in einem dpa-Gespräch. Zunächst sollten 500 ehemalige Soldaten für den Schutz der Handelsschiffe zur Verfügung stehen. „Das wäre schon mal ein erster Schritt“, sagte er.
Für die jährlich rund 1700 Passagen deutscher Schiffe durch das besonders von Piraterie betroffene Gebiet am Horn von Afrika reiche das aber nicht aus. Wenn man die Schiffe rund um die Uhr schützen wolle, brauche man 1500 bis 2000 Sicherheitskräfte.
Die SPD forderte, eindeutige Grenzen für solche Einsätze festzulegen. „Das betrifft nicht allein die deutsche Handelsschifffahrt“, sagte der außenpolitische Fraktionssprecher Rolf Mützenich. Die Grünen warnten vor einem „Dammbruch“ im Waffenrecht. Ähnlich äußerte sich die Linke. „Wer Piraten mit Söldnern bekämpfen will, versucht den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben“, erklärte deren verteidigungspolitischer Sprecher Paul Schäfer.
Das „Hamburger Abendblatt“ berichtete am Mittwoch unter Berufung auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, dass der Einsatz privater Sicherheitskräfte ernste juristische Folgen für Kapitäne deutscher Handelsschiffe haben könnte. Das Gutachten hatte demnach die Grünen-Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms in Auftrag gegeben. In der Studie heiße es, eine Strafbarkeit könne sich dann ergeben, wenn der Kapitän die nötigen Abwehrmaßnahmen fahrlässig falsch einschätze und dementsprechend unangemessene Anweisungen an die Sicherheitskräfte erteile. „Hierdurch könnte sich ein Kapitän wegen fahrlässiger Körperverletzung beziehungsweise Tötung strafbar machen“, zitiert die Zeitung. # dpa-Notizblock * * * * Die folgenden Informationen sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt.