Schutz vor Kaperung: Hamburger Frachter nehmen ehemalige Soldaten an Bord. Verband Deutscher Reeder bestätigt Trend zum Selbstschutz.
Hamburg. Nach dem Scheitern des Piratengipfels im Berliner Wirtschaftsministerium holen jetzt immer mehr deutsche Reeder private Sicherheitsdienste auf ihre Schiffe. "Wir werden am Horn von Afrika unsere Tanker nur noch mit bewaffneten Bewachern einsetzen", sagte ein Sprecher der Hamburger Reederei Offen, einer der größten deutschen Charterreedereien, dem Abendblatt.
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Die Reederei, für die insgesamt 16 Tanker fahren, zieht damit die Konsequenzen aus einem Überfall Anfang des Jahres, als die "CPO China" trotz an Bord ausgelegter Stacheldrahtsperren von Piraten geentert worden war. Nach der Befreiung der Besatzung durch eine australische Fregatte hatte das Schiff in Oman frühere Soldaten, die jetzt für eine britische Sicherheitsfirma arbeiten, an Bord genommen.
Auch die Hamburger Reederei Ernst Komrowski verpflichtete für ihren Containerfrachter "Taipan" bewaffnete Sicherheitskräfte. "Wir werden sie jetzt grundsätzlich an Bord haben, wenn eines unserer 20 Schiffe durch den Indischen Ozean fährt", sagte die Sicherheitsoffizierin der Reederei, Inet Klip. "Solche Bewacher sind das Einzige, was gegen Piraten hilft." Die Somalis, die die "Taipan" geentert hatten, stehen derzeit in Hamburg vor Gericht.
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) bestätigt den Trend zum Selbstschutz. "Die Mannschaften verlangen dies", sagte VDR-Sprecher Max Johns dem Abendblatt. "Zudem gibt es eine Fürsorgepflicht für die Seeleute."
Der Bremer Reeder Niels Stolberg, dessen Frachter "Beluga Nomination" am vergangenen Wochenende entführt worden war, schlägt nun ein neues Konzept für den Kampf gegen die Piraten vor. Danach sollten drei Schiffe in dem besonders gefährlichen Gebiet am Horn von Afrika vor der Küste Somalias eingesetzt werden, auf denen Sicherheitskräfte ständig stationiert werden. "Von dort aus könnten die Spezialisten auf die jeweils vorbeifahrenden Schiffe umsteigen und sie an Bord begleiten, bis sie das gefährdete Seegebiet wieder verlassen haben", sagte Stolberg gestern dem Abendblatt. Die Reedereien würden sich an den Kosten eines solchen Projekts beteiligen. Stolberg würde es begrüßen, wenn Bundespolizei und Deutsche Marine daran teilnähmen. "Ein solcher Einsatz wäre ein gutes Argument für deutsche Reeder, mehr Schiffe unter die deutsche Flagge zu stellen."
Derzeit bestehen jedoch juristische Bedenken gegen den Einsatz solcher hoheitlichen Kräfte an Bord. Deshalb steigt das Interesse an den privaten Wachdiensten, die ihren Sitz vor allem in Großbritannien und Israel haben. Die Kosten für einen sieben- bis neuntägigen Einsatz von drei bis vier Wachleuten lägen zwischen 60 000 und 100 000 Dollar, sagte Stolberg.
Allerdings ist auch die rechtliche Grundlage für den Einsatz von privaten Wachleuten unklar. Während der Reeder-Verband davon ausgeht, dass der Schutz auf See eine Aufgabe der jeweiligen Staaten ist, sprach sich der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto, für eine Selbsthilfe der Reeder aus. "Jeder Wirtschaftsbereich hat selbst die Verantwortung für die Sicherheit der Mitarbeiter", sagte er.
Bei der Reederei Komrowski hatte das Bundesinnenministerium es jedoch untersagt, auf dem Schiff unter deutscher Flagge Wachpersonal einzusetzen. Deshalb musste die Reederei die "Taipan" erst nach Liberia ausflaggen. Auch die Reederei Offen fährt mit ihren Tankern nicht unter deutscher Flagge. Sie hissen den britischen Union Jack.