Die Kritik an FDP-Chef Westerwelle wird immer lauter. An der Parteispitze würden viele Liberale lieber Generalsekretär Lindner sehen.
Hamburg/Berlin. Es wird eng für den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle: In seiner Partei wird erneut heftig darüber debattiert, ob der Chefliberale seine Ämter behalten soll - und wer ihm nachfolgen könnte. Auch die Hamburger FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding sprach sich dafür aus, "prinzipiell alle Ämter und Themen" in der Partei zur Disposition zu stellen. "Es wäre unklug, von vornherein etwas auszuschließen", sagte sie dem Hamburger Abendblatt. Sie kritisierte, auf manche großen Fragen dieser Zeit habe die FDP keine befriedigende Antwort oder es nicht geschafft, sie entsprechend zu kommunizieren.
Wenige Tage nach dem Wahldebakel im Südwesten steht die FDP damit vor einen neuen Belastungsprobe. Der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki forderte im "Stern" einen Kurswechsel seiner Partei: "Es wird mit demselben Personal so nicht weitergehen. Köpfe transportieren Themen. Und wir brauchen neue Themen." Kubicki rechnet aber nicht damit, dass Westerwelle gestürzt wird. Vermutlich werde der Vorsitzende auf dem Parteitag im Mai wieder kandidieren und eine Mehrheit erhalten. "Alles andere würde die FDP zerreißen."
Wesentlich schärfer ging der liberale Bundestagsabgeordnete Martin Lindner mit dem Parteivorsitzenden ins Gericht: "Westerwelle trägt die Hauptverantwortung an den Ergebnissen von über einjähriger Regierungspolitik", sagte Lindner "Spiegel Online". Die Anhänger der FDP seien hoch verunsichert, insbesondere wegen des Kurswechsels in der Energiepolitik in den vergangenen zwei Wochen, an dem Westerwelle großen Anteil gehabt habe. "Wir müssen uns aber erst einmal über unsere inhaltliche Positionierung klar werden, daraus folgen dann die personellen Konsequenzen."
Diesen Prozess will der Chef der saarländischen FDP-Landtagsfraktion, Christian Schmitt, überspringen. Er bekräftigte gestern seine Forderung nach einem Rücktritt Westerwelles als Außenminister. Schmitt sprach sich dafür aus, dass der FDP-Bundeschef stattdessen auch den Vorsitz der FDP-Bundestagsfraktion übernimmt. "Als Außenminister halte ich Westerwelle für ungeeignet. Er hat mich in den vergangenen eineinhalb Jahren als Außenminister nicht überzeugt", sagte Schmitt. Dagegen habe Westerwelle aber in der Opposition als Fraktionschef gute Arbeit geleistet.
Hamburgs FDP-Fraktionsvorsitzende Suding deutete an, wer nach Westerwelle kommen könnte: Es sei nun eine thematisch breitere Aufstellung nötig - und die verkörpere niemand mehr als Generalsekretär Lindner. "Christian Lindner hat sicherlich das Potenzial, einmal Parteivorsitzender zu werden", lobte Suding. Das FDP-Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis forderte Lindner ganz direkt auf, das Amt des FDP-Parteivorsitzenden zu übernehmen. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode will sich zwar nicht an der Personaldebatte beteiligen, sagte aber dem Abendblatt: "Christian Lindner ist ein guter Mann, dem in der FDP noch eine große Zukunft bevorsteht." Allerdings war der erst 32 Jahre alte Generalsekretär und Hoffnungsträger mit einem Vorschlag vorgeprescht, alle acht alten Atommeiler sollten für immer abgeschaltet bleiben und die Laufzeiten weiter verkürzt werden - und wird dafür nun von zahlreichen Parteifreunden kritisiert. So relativierte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) gestern den Vorstoß Lindners prompt: "Das eine ist eine vom Generalsekretär der Partei erklärte Auffassung. Das andere ist die Beschlusslage der Bundesregierung." Der sächsische FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Holger Zastrow mahnte: "Wir sollten aufhören, unsere eigenen Wähler zu verwirren. Wenn wir als FDP nur der Mehrheitsmeinung hinterherrennen, dann kommt das einem Todesurteil gleich", sagte Zastrow der "Sächsischen Zeitung". Die FDP dürfe sich nicht auf einen linksökologischen Kurs drücken lassen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) stellte sich dagegen hinter Lindners Forderung zur dauerhaften Abschaltung der acht älteren Atommeiler. Notfalls will sie dafür das Atomgesetz ändern. "Die acht älteren Kernkraftwerke dürfen nicht wieder ans Netz gehen", sagte die FDP-Politikerin der "Passauer Neuen Presse". Der Zickackkurs der Liberalen beschert der Partei in Umfragen bundesweit weiterhin magere fünf Prozent.