Mehrere Liberale wollen den Rückzug ihres Parteichefs forcieren. Spott muss Westerwelle auch von Musiker Grönemeyer ertragen.
Berlin. Der Gegenwind für Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wird stärker - auch und gerade innerhalb der eigenen Partei: In der FDP mehren sich nach dem Wahldebakel bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die Forderungen nach unmittelbaren Konsequenzen für den Parteichef. Vorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis forderte Westerwelle auf, vor dem Parteitag im Mai seinen Rückzug anzukündigen. „Westerwelle sollte sich auf sein Amt als Außenminister konzentrieren“, sagte Chatzimarkakis am Mittwoch. Da bringe er die Partei weiter und könne den Übergang zu einem Neuanfang moderieren. Der Parteichef trage die Verantwortung für das desaströse Ergebnis. Zudem sei die Glaubwürdigkeit der FDP wegen ihres Zickzackkurses massiv beeinträchtigt. Der Bundestagsabgeordnete Lars Friedrich Lindemann sagte: „Die Führungsfrage stellt sich ganz klar an der Spitze der Partei.“ Westerwelle müsse sich seiner Verantwortung stellen. Bauernopfer, etwa in Gestalt von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, seien nicht das probate Mittel.
Auch der Bundestagsabgeordnete Martin Lindner sieht Westerwelle in der Hauptverantwortung für das Wahldebakel. Das Abschneiden sei das Resultat „von über einem Jahr Orientierungslosigkeit“ sowie der Unklarheit der FDP in der Regierung. Die Partei müsse daher eine neue Positionierung vornehmen und danach entscheiden, „wer kann diese noch glaubwürdig vertreten“.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger schloss einen Rückzug Westerwelles vom Amt des Bundesvorsitzenden nicht aus. Die Frage, ob er als Chef weitermachen könne, gehöre „in den Kreis unserer Gesamtüberlegungen für ein Personaltableau“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“.
Seit langem gibt es Forderungen, Westerwelle solle sich auf eines seiner Ämter konzentrieren – vorzugsweise auf das des Außenministers. Entsprechende Appelle waren am Montag auch im Bundesvorstand an ihn herangetragen worden, unter anderem vom stellvertretenden Berliner Landesvorsitzenden Alexander Pokorny. Westerwelle selbst hat seine politische Zukunft bis zur Sitzung der Führungsgremien am 11. April offengelassen. Die Parteispitze hat aber eine personelle und inhaltliche Erneuerung zugesagt.
Chatzimarkakis sagte, Generalsekretär Christian Lindner könne diesen Neuanfang verkörpern. Er gilt neben Gesundheitsminister Philipp Rösler und NRW-Landeschef Daniel Bahr als Zukunftshoffnung. Lindner vertrete die breite Palette des liberalen Angebots und sei zudem bereit, auch den Konflikt in der Koalition zu suchen, sagte der FDP-Europaabgeordnete.
Auch vom Partei-Nachwuchs kam Kritik an Westerwelle. Der Chef der Jungen Liberalen in Nordrhein-Westfalen, Henning Höne, sagte den Zeitungen der „WAZ Mediengruppe„: „In der Personaldiskussion darf niemand ausgespart werden, auch der Parteivorsitzende nicht.“
Und als wäre die innerparteiliche Kritik nicht genug, muss Westerwelle nun auch außerhalb der politischen Bühne öffentlichen Spott ertragen. So meldet sich Musiker Herbert Grönemeyer in dem Magazin "Rolling Stone" über den deutschen Außenminister zu Wort. „Er mag ein reizender Mann sein, aber in seiner Funktion ist er absolut inexistent“, sagte Grönemeyer dem Blatt. „Über den kannst du dich noch nicht mal ärgern. Der ist schon so blass, dass er einem wirklich schon fast leidtut.“
Atom-Schwenk löst Debatte in Partei aus
Die wegen der Außendarstellung der Partei ebenfalls in der Kritik stehende Vorsitzende der Bundestagsfraktion und baden-württembergische Landeschefin, Birgit Homburger, erklärte unterdessen, sie wolle in beiden Ämtern bleiben.
Vorstandsmitglied Bahr rief seine Partei in der Führungsdebatte derweil zu mehr Anstand auf. Es könne nicht darum gehen, nur nach einem Schuldigen zu suchen. Westerwelle habe die Erfolge der FDP in den vergangenen Jahren erst ermöglicht, deshalb müsse die Debatte über die Konsequenzen unter seiner Führung stattfinden. Die FDP gehe offen in die Beratungen. Klar sei: „Es kann nicht so bleiben, wie es ist.“
Unterdessen mehrten sich in der Partei die Vorbehalte gegen den Vorstoß der Parteispitze, die vor zwei Wochen abgeschalteten Atomkraftwerke nach dem dreimonatigen Moratorium nicht wieder anzufahren. Lindner, der auch technologiepolitischer Sprecher der Fraktion ist, kritisierte: „Dass man jetzt schon weiß, was am Ende dieses Abwägungs- und Denkprozesses heraus kommt, halte ich weder für fachpolitisch begründet noch für glaubwürdig.“ Ähnlich äußerte sich Fraktionsvize Patrick Döring bei „Handelsblatt Online“.