Die Gemeinden sollen einen Leitungsausbau hinnehmen müssen. Rainer Brüderle (FDP) fordert ein “Netzausbau-beschleunigungsgesetz“.
Berlin. Nach der Atomkatastrophe in Japan soll der Umbau der Energieversorgung in Deutschland hin zu mehr Ökostrom beschleunigt werden. Der dafür erforderliche Ausbau von Stromtrassen soll nach dem Willen von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) durch ein "Netzausbaubeschleunigungsgesetz" erleichtert werden. Das Ausmaß der Herausforderungen sei vergleichbar mit dem Ausbaubedarf der Infrastruktur nach der Wiedervereinigung, heißt es in einem Eckpunktepapier seines Ministeriums.
In einem "Bundesnetzplan" sollen die nötigen Trassenkorridore bundesweit ausgewiesen und für den Bau von Hochspannungsleitungen reserviert werden. Gemeinden müssten den Leitungsausbau "im Interesse des Gemeinwohls" hinnehmen, heißt es in dem Papier. Sie sollten dafür einen finanziellen Ausgleich erhalten. Einen schnelleren Netzausbau hatten CDU und FDP bereits im Koalitionsvertrag im Jahr 2009 zugesagt.
Brüderle sagte der "Wirtschaftswoche", der Ausbau der erneuerbaren Energien sei nicht zum Nulltarif zu haben. Für abgeschaltete Atommeiler müssten Gas- oder Kohlekraftwerke gebaut werden, dazu kämen Kosten für den Ausbau der Netze: "Uns fehlen heute schon mehr als 3500 Kilometer Stromleitungen", sagte Brüderle.
Ulrich Kelber, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, zweifelte im Hamburger Abendblatt diese Zahlen, die sich auf den notwendigen Ausbau bis 2020 bezögen, allerdings an. Viele alte Leitungen könnten auch einfach verstärkt werden, sagte Kelber. "Meiner Einschätzung nach geht es in den nächsten zehn Jahren eher um etwa 1000 Kilometer neue Leitungen." Auch Kelber befürwortet einen Bundesnetzplan, der ein beschleunigtes Verfahren ermögliche. "Die unabhängige Bundesnetzagentur sollte in diesem Plan Vorschläge für technisch notwendige Stromtrassen machen, die dann vom Parlament beschlossen werden", sagte Kelber. "Ein solcher Netzplan könnte schon Ende des Jahres fertiggestellt sein."
Im "Focus" forderte der bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU): "Wir brauchen ein neues nationales Energiekonzept." Erst im vergangenen September hatte die Bundesregierung nach langen Debatten ihr "Energiekonzept 2050" präsentiert, das unter anderem längere Laufzeiten für Atomkraftwerke vorsah. In einem Konzeptpapier schlägt Söder ein Sechs-Milliarden-Programm vor. Ein Drittel davon soll in Speichertechnologien, eine weitere Milliarde in den Ausbau regionaler Verteilnetze fließen. Zwei Milliarden Euro sind für die Förderung der Elektromobilität vorgesehen, eine Milliarde Euro wäre für den beschleunigten Bau von Stromtrassen nötig.
In Deutschland demonstrierten am Sonnabend mehrere Tausend Menschen gegen Atomkraft. Allein in Hannover kamen nach Polizeiangaben bis zu 5000 Menschen zusammen. In Hamburg zogen etwa 1200 Demonstranten von der Zentrale des Energieversorgers Vattenfall zum Rathaus.