Nach der Katastrophe in Japan steht der Wechsel zu Ökostrom im Fokus. Abendblatt.de gibt Tipps zu Anbietern, Preisen und Gütesiegeln.

Hamburg. Angesichts der drohenden Atomkatastrophe in Japan werden sich unzählige Bundesbürger jetzt mit einem mulmigen Gefühl fragen: Welcher Strom kommt eigentlich bei mir daheim aus der Steckdose? Vielen Menschen macht Kernkraft Angst. Doch Millionen Verbraucher bekommen täglich Strom ins Haus geliefert, der auch in Atommeilern produziert wird. Wer seinen „kleinen privaten Atomausstieg“ zu Hause in Angriff nehmen will, sollte sich vorher genau über Ökostrom informieren, rät Thomas Müller, Energieexperte von „Finanztest“.

Nicht jeder der über 1700 Tarife am Markt, die als „öko“ oder „grün“ verkauft werden, hält, was er verspricht. Viele grüne Angebote seien eher Augenwischerei als echte Ökoenergie, sagt Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Mal werde herkömmlich erzeugter Strom fantasievoll mit hauseigenen Gütesiegeln beworben, mal Atom- und Kohlestrom per Zukauf von Umweltzertifikaten aus dem Ausland veredelt.

Für viele Haushalte kann der Wechsel zu einer echt grünen Alternative nicht nur ein Beitrag zur Entlastung der Umwelt, sondern auch eine dicke Ersparnis bringen – zumal im März und April wieder 56 Stromanbieter kräftig ihre Preise erhöhen, teilweise um bis zu 16 Prozent. Die wichtigsten Fakten im Überblick:

Wo kommt unser Strom her?

Normaler Strom (auch Graustrom genannt) wird in der Regel in Kraftwerken aus Kohle, Öl oder Atomenergie produziert. Dabei fällt entweder das Klimagas Kohlendioxid (CO2) an oder es entsteht radioaktiver Müll. Ein Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.000 Kilowattstunden ist im Schnitt für den Ausstoß von 1,5 Tonnen CO2 und die Entstehung von 8,1 Gramm radioaktiven Abfalls verantwortlich, wie die Stiftung Warentest ausgerechnet hat. Grüner Strom nutzt die Kraft des Wasser oder des Winds, die Energie der Sonne oder Wärme aus der Erde. Andere Anlagen verbrennen Biomasse oder Müll. Gänzlich ohne Umweltbelastung kommt aber auch die Produktion von Ökostrom nicht aus.

Wie kann man Ökostrom erkennen?

Gar nicht. Wer grünen Strom bestellt, bekommt den gleichen Saft wie der Nachbar, der konventionellen Strom bezieht. Der Kunde kriegt also nicht Ökostrom pur aus der Steckdose, sondern immer einen Mix. Denn: Alle Stromanbieter speisen ihre Elektrizität in das gleiche Netz ein, wie in ein Meer. Daraus werden die Haushalte dann gleichermaßen beliefert. Damit kriegen eigentlich alle auch ein bisschen Ökostrom ins Haus geliefert. Im momentanen Strommix sind gut 18 Prozent Ökostrom enthalten. Je mehr Kunden nun grünen Strom kaufen, desto stärker steigt der Ökoanteil im gesamten Netz.

Was macht Ökostrom aus?

Nur der Strom darf als Ökostrom eingestuft werden, der wenigstens zu 50 Prozent aus erneuerbaren Energien stammt. Viele Energieversorger bieten grünen Strom in verschiedenen „Reinheitsgraden“ an, als reine Version zu 100 Prozent oder zum Beispiel zu 50 oder 75 Prozent. Der Rest muss aus Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) stammen, die als umweltschonend gelten, weil dabei Strom und Wärme gleichzeitig erzeugt und genutzt werden.

Welche Ökostrom-Modelle gibt es?

Ökostrom ist ein ungeschützter Begriff, das Etikett sagt noch nichts über den Reinheitsgrad aus. Nachhaken ist wichtig. Neben kleineren Firmen wie etwa Naturstrom AG, Greenpeace Energie, Lichtblick oder die Elektrizitätswerke Schönau bieten auch die großen Energiekonzerne grüne Tarife an. Wer es ernst meint mit der Umwelt sollte aber nur einen Anbieter auswählen, der in den Bau von neuen Ökostromanlagen investiert. „Das ist letztlich das entscheidende Kriterium“, sagt Müller.

Bringen Gütesiegel Sicherheit?

Nur zum Teil. Gütesiegel werden von unterschiedlichen Vereinen und Organsiationen mit verschieden strengen Anforderungen vergeben. „Ein wahrer Dschungel“, sagt Hans Weinreuter, Energieexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Nach Ansicht der Verbraucherschützer ist nur auf das „ok-Power“-Label, das „Grüner Strom“-Siegel oder die Auszeichnung des Ökoinstituts Freiburg sowie auf einige TÜV-Zertifikate wirklich Verlass, nicht aber beispielsweise auf RECS-Siegel.

Ist Öko-Strom teuer?

Wer zu einem „echten“ Grünstrom-Anbieter wechselt, wird monatlich ein wenig tiefer dafür in die Tasche greifen müssen. Wer noch im kostspieligen Grundversorgungstarif steckt, kann aber sogar Geld sparen, je nach Region. Der günstigste verfügbare Ökostromtarif mit Gütesiegel und monatlicher Abschlagszahlung kostet dem Vergleichsportal Verivox zufolge derzeit für einen Musterhaushalt 826 Euro, etwa 200 Euro weniger als im Grundversorgungstarif.

Bei Überlegungen zum Ökostrom gilt: Am saubersten ist und bleibt es, den Verbrauch zu senken.