Immer wieder suchen Extremisten in der Hansestadt Unterschlupf. Hier radikalisierten sich die Attentäter des 11. September 2001.
Hamburg. Sie sollen sich ihre Bärte abrasieren, sich westlich kleiden und unauffällig im Westen untertauchen. Der Auftrag der Al-Qaida-Kommandeure an die europäischen Dschihadisten, die sich in Terrorlagern im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ausbilden lassen, lautet, in ihren Herkunftsländern "Schläferzellen" aufzubauen. Und dann folgt irgendwann der Befehl, Anschläge in den Großstädten zu verüben . Der SWR berichtet, dass laut des rheinland-pfälzischen Innenministers Karl Peter Bruch (SPD) die Sicherheitsbehörden "konkrete Hinweise" auf Berlin, München, den Großraum Ruhrgebiet sowie Hamburg als mögliche Anschlagsziele hätten.
Dass potenzielle Attentäter sich Großstädte aussuchen, folgt einer einfachen Logik. Nur hier können sie anonym leben, in ihren Gemeinden untertauchen. Und so ist es eine mittlerweile leidige Tradition, dass sich Extremisten auch immer wieder Hamburg als Unterschlupf suchen. Spätestens seit der Terrorzelle um Mohammed Atta ist das bekannt. Zuletzt geriet die sogenannte Hamburger Reisegruppe in den Fokus der Ermittlungen.
Bei ihr handelt es sich um Überzeugungstäter. Es waren neun Männer und zwei Frauen im Alter von 23 bis 52 Jahren, die beseelt davon waren, gegen Ungläubige in den Krieg zu ziehen. Sie haben sich im März 2009 in die Bergregion zwischen Pakistan und Afghanistan aufgemacht. Einige sind mittlerweile nach Hamburg ausgewiesen worden, einige sind bei Drohnenangriffen ums Leben gekommen. Und zwei Männer sitzen jeweils in amerikanischer Militär- und deutscher Untersuchungshaft.
Und so sind es möglicherweise die Aussagen von Ahmad S., der von den US-Truppen im afghanischen Bagram festgehalten wird, und Rami M., die zur verschärften Sicherheitslage in Deutschland geführt haben. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen M. wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Er sitzt im Untersuchungsgefängnis im hessischen Weiterstadt.
Das bekannteste Gesicht der Hamburger Reisegruppe war Shahab D., der sich in der Zwischenzeit Abu Askar genannt hatte. Er tauchte in einem Drohvideo auf, in dem er Anschläge im Umfeld der Bundestagswahl 2009 ankündigte. Martialisch posierte er dabei mit einem riesigen Schwert. Auch nach dem Bekanntwerden dieses Videos erhöhte das Bundesinnenministerium die Sicherheitsvorkehrungen. Shahab D. kam später bei einem Angriff durch eine amerikanische Drohne mit einer ferngelenkten Hightech-Bombe ums Leben. Die beiden Hamburger Konvertiten Alexander J. aus Wandsbek und Michael W. aus Bergedorf wurden kurz nach ihrer Einreise in Pakistan von der Polizei aufgegriffen. Nach zwei Monaten Haft wurden sie in die Hansestadt ausgeliefert. Hier haben die Sicherheitsbehörden ihnen die Pässe abgenommen.
Sie alle waren regelmäßige Besucher der Taiba-Moschee (ehemals Al-Kuds-Moschee) am Steindamm (St. Georg). Dort hatten sich die Männer nach den Freitagsgebeten heißgeredet. Die Taiba-Moschee war zudem der Treffpunkt der Attentäter um Mohammed Atta, die die Anschläge vom 11. September 2001 verübten. Auch sie wurden dort radikalisiert. Atta, der 1992 aus Ägypten nach Hamburg kam, steuerte das Flugzeug in den Nordturm des World Trade Center in New York. Marwan al-Shehhi lenkte die Boeing 767 in den zweiten Turm. Er hatte mit Atta bis Juni 2000 in der Harburger Wohnung an der Marienstraße gelebt. Ziad Jarrah, der dritte Todespilot aus Hamburg, vollzog die extremste Wandlung zum "Gotteskrieger". Während seine Mitstreiter strenggläubige Moslems waren, gab Jarrah den Lebemann, der auch Alkohol trank. Er steuerte das Flugzeug, das in Pennsylvania abstürzte.
Im August dieses Jahres ließ der damalige Innensenator und heutige Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) die Taiba-Moschee schließen. "Dort wurden junge Männer zu religiösen Fanatikern herangezüchtet", sagte Ahlhaus im Sommer. Es waren die Erkenntnisse über die Hamburger Reisegruppe, die zur Schließung führten. Obwohl die Gemeinde seit 2001 unter ständiger Beobachtung stand, radikalisierten sich die Besucher. Die Sicherheitsbehörden wollten verhindern, dass nun erneut Attentäter Anschläge planten - dieses Mal sogar noch unter ihren Augen. Deshalb wurde der Trägerverein der Moschee verboten, das Vermögen beschlagnahmt. Als Konsequenz dürfen die ehemaligen Verantwortlichen des Vereins auch keine Nachfolgeorganisation gründen.
Nach Informationen des Verfassungsschutzes besuchen die ehemaligen Mitglieder der Gemeinde nun andere Moscheen. Eine Radikalisierung haben die Geheimdienstler dort allerdings noch nicht festgestellt. Sie sind dort in der Unterzahl.