Erstmals gingen in Stuttgart 20.000 Gegner und Befürworter des Bauprojekts “Stuttgart 21“ zeitgleich auf die Straßen und demonstrierten.
Stuttgart/Ulm. Rund 20.000 Menschen demonstrierten trotz der Schlichtung in Stuttgart. Erstmals gingen dabei Gegner und Befürworter des umstrittenen Bauprojekts der Bahn, Stuttgart 21, zeitgleich auf die Straße. Während die Gegner erneut einen Komplettstopp für die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs und den Rücktritt von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) forderten, riefen die BEfürworter lautstark "Weiterbauen!". Die Polizei sprach von rund 16.000 Gegnern und von 7.000 Unterstützer des Bauprojekts Stuttgart 21. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zählte 50.000 Demonstranten. Ex- Projektsprecher Wolfgang Drexler (SPD) schätzte die Zahl der Teilnehmer für den Bau auf 10.000. Zuvor waren einige hundert von ihnen durch den Schlossgarten gejoggt. Neben dem ehemaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU) warb auch Bahnchef Rüdiger Grube unter starkem Beifall für die Umwandlung des Kopfbahnhofs in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof.
"Mappus weg" oder "Lügenpack" skandierten die Stuttgart-21-Gegner und sprachen sich vehement gegen Stuttgart 21 aus. Immer wieder brandete Kritik an der Landesregierung auf. Derweil nahmen Parkschützer nach eigenen Angaben eine Unterschriftenhürde: Sie wollen mehr als 10.000 Stimmen für einen Antrag zur vorzeitigen Auflösung des Landtags einreichen.
Auf der Befürworterseite wiederholte Grube: „Die Deutsche Bahn kann, darf und will keinen Stopp.“ Das Projekt sei in vielfacher Hinsicht gut für die Stadt, schaffe Arbeitsplätze und erhöhe die Kaufkraft. Zudem gebe es Verträge. Wenn diese nicht eingehalten würden, „habe ich tausende Rechtsstreitfällen – und die will ich genau nicht“.
Ministerpräsident Mappus zieht aus dem Konflikt um Stuttgart 21 die Konsequenz, dass Großprojekte schneller geplant werden müssen. „Was ich daraus lerne, ist, dass man die Menschen immer mitnehmen muss und dass es schneller gehen muss. Denn über 30 Jahre hinweg können sie einen solchen Prozess nicht fahren“, sagte Mappus am Samstag bei der Hauptversammlung des Städtetags Baden-Württemberg in Ulm. Die Planung für den Tiefbahnhof in Stuttgart und die Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm hatte ungefähr so lange gedauert. Der Regierungschef zeigte sich überzeugt, dass es mit Hilfe der Schlichtung unter Leitung von Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler gelingen werde, die Menschen in ihrer Mehrheit von dem Bahnprojekt zu überzeugen. Er äußerte sich positiv zur ersten Schlichtungsrunde. Sinn und Zweck des Treffens sei gewesen, die Fakten auf den Tisch zu bringen, damit sich die Bürger umfassend informieren können. „Das ist gelungen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Vermittler Geißler hatte nach der ersten Runde ebenfalls ein positives Fazit gezogen und gesagt, er hoffe auf eine „Klärung“ des Konflikts am Ende der Schlichtung. „Ich habe festgestellt, dass wir weitermachen können“, sagte der 80-Jährige am Freitagabend im ZDF- „heute journal“. Zuvor hatten erstmals Vertreter der Landesregierung und der Bahn auf der einen sowie Gegner des Milliarden-Projekts auf der anderen Seite rund sechseinhalb Stunden an einem Tisch gesessen, was live auf eine Leinwand, im Fernsehen und im Internet übertragen wurde. Geißler sieht dies auch als „Demokratieexperiment“.