Die SPD-Fraktion beschloss, zum heftig kritisierten Polizeieinsatz mit zahlreichen Verletzten einen entsprechenden Antrag zu stellen.
Stuttgart. Zum heftig kritisierten Polizeieinsatz gegen Stuttgart-21-Gegner wird der Landtag von Baden-Württemberg aller Voraussicht nach einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Die oppositionelle SPD-Fraktion beschloss nach Angaben eines Sprechers am Dienstag, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Am 30. September waren hunderte Demonstranten durch den Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray verletzt worden. Die SPD hat die notwendige Zahl von Abgeordneten, um für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu sorgen.
Der Schlichter Heiner Geißler sucht für die Vermittlungsgespräche unterdessen eine größtmögliche Öffentlichkeit. Das nächste Treffen an diesem Freitag könne im Fernsehsender Phoenix und im Internet verfolgt werden, kündigte Geißler nach einem Treffen mit Befürwortern und Gegnern des Bahnprojekts an: „Es handelt sich um eine Innovation.“ In der CDU gehen die Meinungen über das Schlichtungsverfahren weit auseinander. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sieht in den Gesprächen eine gute Möglichkeit, die Bevölkerung mitzunehmen und einzubinden. Dagegen fordert Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), zu gefassten Beschlüssen zu stehen, statt einer „Stimmungsdemokratie nachzugeben“.
De Maizière kritisierte die Schlichtung, die am vergangenen Freitag unter Leitung des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Geißler begonnen hatte : „Es kann ja auch nicht sein, dass die handelnden Politiker die Idioten sind, und die ehemaligen Politiker sind die Heiligen“, sagte er im ZDF. Schlichtung könne kein Maßstab für solche Großverfahren sein. Für Stuttgart 21 habe es umfangreiche Planungen mit Bürgerbeteiligung gegeben. „Dann muss das gelten und durchgesetzt werden“, sagte de Maizière.
Der Bundesinnenminister kritisierte auch die Proteste in Stuttgart: „Was mir Sorgen macht, ist die Senkung der Gewaltschwelle bei den Demonstranten.“ Wenn Tausende von 13-jährigen Schülern von ihren begüterten Eltern Krankschreibungen bekämen, um zu demonstrieren, dann sei das ein „Missbrauch des Demonstrationsrechts“.
Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir erwiderte: „Es ist ein trauriger Offenbarungseid, wenn ausgerechnet der Verfassungsminister der Republik Menschen beschimpft, die in Stuttgart ihr durch das Grundgesetz verbriefte Recht auf Demonstrations- und Meinungsfreiheit in friedlicher Form wahrnehmen. Gerade Schüler und Jugendliche sollten darin unterstützt werden, ihre Rechte als demokratische Bürger zu kennen und auch aktiv auszuüben.“
Mappus sagte am Dienstag in Stuttgart, viele Bedenken gegenüber dem Bauvorhaben könnten durch die laufende Schlichtung ausgeräumt werden: „Ich bin mir sicher, dass man bei etwa 40 bis 50 Prozent der Themen durch die Fakten das Ganze objektiv beleuchten kann. So dass auch jeder – egal wo er steht – sagen kann: Die Argumente sind nachvollziehbar.“
Dadurch könnten Ängste beispielsweise vor einer Gefährdung der Stuttgarter Mineralwasservorkommen ausgeräumt werden, sagte Mappus. Geißler sei die Idealbesetzung für die Schlichtung zwischen den Gegnern und den Befürwortern des Milliarden-Projekts, weil er die beiden tief zerstrittenen Parteien zum Gespräch an einen Tisch bekommen habe.
Mappus räumte ein, dass in Fragen der Finanzierung des riesigen Bauvorhabens auch die Schlichtung wohl kaum zu einer Übereinstimmung zwischen Gegnern und Befürwortern führen werde: „Im Kostenbereich können Sie immer subjektive Einschätzungen darlegen, wobei man nicht unbedingt zu grenzenloser Harmonie gelangen wird.“
Für die Verlegung des Hauptbahnhofs unter die Erde und den Bau einer neuen Schnellbahnstrecke nach Ulm kalkulieren die Befürworter derzeit mit etwa sieben Milliarden Euro. Die Gegner befürchten deutlich höhere Kosten. Der Ministerpräsident wandte sich gegen einen Volksentscheid über Stuttgart 21: „Ich war, bin und bleibe ein Anhänger der repräsentativen Demokratie.“ Viele komplexe Fragen wie der Umbau des Bahnhofs und die neue Schnellbahntrasse könnten nicht einfach mit Ja oder Nein zur Abstimmung gestellt werden. Die oppositionelle SPD mache es sich zu einfach, indem sie sage: „Wenn der Boden etwas heiß wird, kippe ich 15 Jahre Planung weg und mache einen Volksentscheid."