E.on, RWE, EnBW und Vattenfall sollen für eine mögliche Nachrüstung pro Atomkraftwerk jeweils maximal 500 Millionen Euro investieren müssen.
Berlin/Hamburg. Die Atomkonzerne haben sich in dem Vertrag mit der Bundesregierung weitreichende Schutzklauseln zusichern lassen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa sind die Kosten für die mögliche Nachrüstung auf 500 Millionen Euro je Kernkraftwerk begrenzt. Auch würden sich die Zahlungen der Konzerne für den neuen Ökostrom-Fonds reduzieren, wenn eine künftige Regierung die 2016 auslaufende Atomsteuer verlängern oder erhöhen will. Das geht aus der der vertraglichen Vereinbarung zwischen Regierung und E.on, RWE, EnBW und Vattenfall hervor, die der dpa vorliegt.
Bisher unbekannte Passagen und Schutzklauseln
Über den Plan der Bundesregierung, das Schutzniveau für Atomkraftwerke deutlich abzusenken, brichtet auch das ARD-Magazin „Monitor“ an diesem Donnerstag (21.45 Uhr im Ersten). Dem Magazin liegen nach eigenen Angaben interne Regierungsdokumente vor, in denen die Verpflichtung der AKW-Betreiber zur Nachrüstung, insbesondere der sogenannten Altreaktoren, weitgehend abgeschafft werden soll. Hierfür solle auch das Atomgesetz geändert werden.
Gabriel: Geheimvertrag einmaliger und dreister Vorgang
Unterdessen dürfte der Staat nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ („FTD“) erheblich mehr aus der Verlängerung der Atomlaufzeiten einnehmen als bekannt. Die nach 2016 vorgesehene Abschöpfung von 9 Euro je Megawattstunde Atomstrom solle entsprechend der Inflationsrate steigen, berichtet die Zeitung.
Außerdem profitiere der Bund künftig direkt von stark steigenden Strompreisen. Die einheitliche 9-Euro-Abschöpfung gelte nur bei Großhandelspreisen zwischen rund 43 und 63 Euro je Megawattstunde. Überstiegen die Notierungen an der Leipziger Strombörse dieses Niveau, schöpfe der Staat die Hälfte der Differenz ab. Bei einem Preis von 70 Euro je Megawattstunde würden also weitere 3,50 Euro an den Fiskus fließen. Damit könnte der Staat deutlich mehr als die bisher genannten rund 30 Milliarden Euro aus der Laufzeitverlängerung erlösen.
Billiger wird der Strom für die Verbraucher auch bei längeren Laufzeiten der Kernkraftwerke nicht. Schon die steigende Förderung der erneuerbaren Energien wie der Fotovoltaik werde die Preise treiben, sagte Manuel Frondel vom Essener RWI-Institut der „FTD“. SPD und Grüne pochen derweil auf die Veröffentlichung des Geheimvertrags zwischen der Bundesregierung und der Atomwirtschaft. Ihre Partei werde eine Sondersitzung des Umweltausschusses im Bundestag beantragen, um die Veröffentlichung zu erzwingen, sagte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Bärbel Höhn der Deutschen Presse-Agentur. „Es kann nicht sein, dass Nebenabsprachen bei der Laufzeitverlängerung im Halbdunkeln bleiben und man die heiklen Sachen ganz unter den Tisch fallen lässt.“
Die Frage sei, ob sich die Regierung zu irgendetwas gegenüber den Atomkonzernen verpflichtet habe, also beispielsweise bei den Sicherheitsnachrüstungen für ältere Atomkraftwerke oder dass man die vorrangige Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien einschränken will. „Wenn in dem Vertrag nur unproblematische Sachen drin stehen, warum verheimlicht die Bundesregierung dann diesen Vertrag?“, fragte Höhn. „Das ganze riecht unangenehm nach Kungelei.“
„Wir alle haben ein Recht darauf, zu erfahren, wie und wie stark die vier großen Energiekonzerne Einfluss auf die Atomverhandlungen in Regierung und Koalition nehmen konnten“, heißt es in einem Brief des geschäftsführenden SPD-Fraktionsvorsitzenden Joachim Poß an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), aus dem die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert.
RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz hatte erklärt, die Vereinbarung sei um 5.23 Uhr morgens paraphiert worden. „Es hat einen schmutzigen Deal gegeben“, sagte die Grünen-Chefin Renate Künast. Bereits während des Treffens im Kanzleramt, wo im Schnitt zwölf Jahre längere Atomlaufzeiten beschlossen worden waren, hatte sich Merkel in einer Telefonschalte mit den Chefs von RWE, E.on, EnBW und Vattenfall über den schwarz-gelben Atomkompromiss beraten. Dies sei rechtlich notwendig gewesen, hieß es. Die Topmanager hätten in dem Gespräch dann verbindlich zugesagt, dass sie zusätzlich zur neuen Atomsteuer zwischen 2011 und 2016 einen freiwilligen Beitrag in einen Öko-Fonds einzahlen.