Laut der Studie, die von der Familienministerin Schröder in Auftrag gegeben wurde, gehen Deutsche später in Rente - nun mit 63 Jahren.
Berlin/Hamburg. Die Deutschen gehen später in Rente als noch zu Beginn dieses Jahrzehnts. Das geht aus den aktuellen Daten einer Langzeitbefragung von Älteren hervor, die von der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) in Auftrag gegeben wurde. Danach beginnt der Ruhestand für Arbeitnehmer im Jahr 2008 im Durchschnitt mit 63 Jahren - und damit ein Jahr später als noch 2002.
Ältere Menschen gehen künftig vergleichsweise gesünder und mit einer längeren Lebenserwartung in den Ruhestand. Auch dies ist ein Ergebnis der Studie. Aus diesem Grund plädiert Bundesfamilienministerin Kristina Schröder dafür, Ältere für mehr soziales Engagement zu gewinnen. Die CDU-Politikerin sprach von einem "historisch neuen Lebensalter" zwischen 65 und 85 Jahren. Ältere Menschen zeigten eine hohe Bereitschaft, sich ehrenamtlich und sozial zu engagieren, sagte die Ministerin. "Hier ist ein Potenzial, das wir aktivieren können und noch besser ausschöpfen müssen." Schröder wirbt dafür, dass sich - im Falle einer Aussetzung des Wehrdienstes - auch Ältere in einem bundesweiten freiwilligen Zivildienst engagieren könnten. Zudem könnten Rentner etwa in Schulen bei Nachhilfe und Integration helfen.
Seit 1996 untersucht der Alterssurvey die Lebensumstände von Menschen zwischen 40 und 85 Jahren in Deutschland. So stieg die Zahl der Erwerbsfähigen bei den 60- bis 64-Jährigen zwischen 2002 und 2008 um 13 Prozentpunkte auf 33 Prozent. Unterschiede bei der Berufsdauer gibt es aber weiter zwischen Männern und Frauen. Bei den Männern arbeiten 38 Prozent über den 60. Geburtstag hinaus, bei den Frauen sind es 32 Prozent in West- und 25 Prozent in Ostdeutschland. Aus der Studie geht auch hervor, dass sich die soziale Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Denn etwa ein Drittel sorgt sich, dass der Lebensstandard in der zweiten Lebenshälfte sinkt. Bei einer ähnlichen Umfrage 1996 befürchteten nur 18 Prozent Einschnitte.
Die Bürger arbeiten laut der Studie nicht nur länger, immer mehr Menschen nutzen inzwischen auch die Altersteilzeit als Brücke in den Ruhestand. Zwischen 2002 und 2008 hat sich der Anteil der Menschen in Altersteilzeit an der Gruppe der über 55-Jährigen von acht auf 21 Prozent fast verdreifacht. Zudem ist der Anteil derjenigen, die bereits vor dem Renteneintritt arbeitslos waren oder über die sogenannte Freistellungsphase der Altersteilzeit aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, gestiegen.
Vor allem aus diesen beiden Gründen sehen die Wissenschaftler weiter erhebliche Probleme auf dem Weg zur umstrittenen Rente mit 67. Auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) sieht sich durch die Studie in der Ablehnung der Rente mit 67 bestätigt. "Im Bericht selbst wird ausgeführt, dass die Arbeitslosigkeit in der Gruppe erwerbsfähiger Älterer gestiegen ist", sagte Elke Hannack vom Bundesvorstand der Gewerkschaft dem Hamburger Abendblatt. "Damit wird eines klar: Der Arbeitsmarkt lässt es nicht zu, das Renteneintrittsalter ab 2012 stufenweise auf 67 hochzuschrauben", hob Hannack hervor. Dagegen müsste Deutschland zunächst "mit allen Kräften daran arbeiten, dass ein gesundes Arbeiten bis 65 möglich wird", sagte Hannack. "Derzeit sind Arbeitgeber kaum bereit, zusätzliches Geld für die betriebliche Gesundheitsförderung in die Hand zu nehmen. Das muss sich ändern", so die Gewerkschafterin. Hannack kritisierte zudem scharf, dass das mit der Untersuchung befasste Zentrum für Altersfragen seine Grundfinanzierung vom Bundesfamilienministerium erhalte. "Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die heute veröffentlichten Ergebnisse in die Politik der schwarz-gelben Koalition gut passen", sagte Hannack dem Abendblatt.
Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktionen im Bundestag, Dorothee Bär, verteidigte die beschlossen Rente mit 67. "Mit 67 Jahren haben - anders als früher - die meisten Menschen noch viele Jahre zu leben und sie bleiben heutzutage viel länger gesund und geistig fit", sagte Bär dem Abendblatt. Der zu erwartende Fachkräftemangel werde die Älteren aufgrund ihrer Erfahrung zu begehrten Mitarbeitern machen, sagte die CSU-Politikerin. "Bei der Umsetzung sind die Tarifparteien gefordert, Modelle zu entwickeln, wie in den einzelnen Branchen ältere Arbeitnehmer besser integriert werden können", sagte sie.
Dem widerspricht Hannack. Für sie ist die "Facharbeiterdebatte eine Scheindiskussion" und betrifft nur eine geringe Zahl von Beschäftigten. "Die große Zahl, für die eine Rente erst ab 67 zu Rentenkürzungen führen würde, sind nicht die angeblich dringend gesuchten Facharbeiter, sondern zum Teil nicht gut ausgebildete Beschäftigte, Frauen und Teilzeitbeschäftigte", sagte Hannack dem Abendblatt.