Die 32-Jährige wurde gestern im Bundestag vereidigt. Der neue Medien-Darling steht für einen neuen Stil in der Bundesregierung.
Berlin. Kristina Köhler (32) ist offenkundig Langschläferin. Am Morgen lässt sie sich vom Handy wecken, döst danach aber manchmal weiter. Deshalb ist sie schon zu Terminen zu spät erschienen, dienstlich wie privat. Ihrem Freund Ole Schröder, 38, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, twitterte sie mehrfach: "Sorry, hab verschlafen."
Politikwissenschaftler Jürgen Falter von der Universität Mainz kennt Kristina Köhler aus deren Studientagen. Er sagt: "Ich habe ihr geraten, in die Politik zu gehen, denn dort sind Menschen mit analytischem Sachverstand gefragt." Dass sie dort so zügig aufsteigen würde, hat ihren Doktorvater überrascht. "Dass sie mal Ministerin werden könnte, war mir klar, nur nicht, dass es so schnell geht."
Das Etikett "modern" passt zum neuen Medien-Darling wie zu niemandem im Regierungsteam. Mit dem "Wertkonservativen etwa einer CSU", so Parteienforscher Falter, habe Köhler nicht das Geringste zu tun. Er charakterisiert sie als "liberal-konservativ", eine Intellektuelle, die nachdenke, bevor sie spreche. Das ist, denkt man an dauernd schwadronierende oder beißreflexartige Funktionäre wie Ronald Pofalla und andere, unüblich in der Partei, der Köhler angehört.
Sie ist seit 18 Jahren politisch tätig, trat schon als 14-Jährige der Jungen Union bei und gehört der Pizza-Connection an, einer lockeren Verbindung von Christdemokraten und Grünen. Dort sucht sie nach gemeinsamen Schnittmengen in der Politik. Das wird mancher altgediente Parteisoldat mit Befremden zur Kenntnis nehmen.
Als Köhlers Stärke gilt ihre Kommunikationsfähigkeit. Die Familienministerin twittert und pflegt vom Laptop aus Facebook-Kontakte. Zwar findet sie den Begriff "Freunde", wie sich Mitglieder der Community nennen, "eher absurd". Dennoch gibt sie an, rund 600 Freunde im Online-Netzwerk zu haben. Auf die Frage, ob sie diese Kontakte halten werde, antwortet sie: "Das habe ich fest vor. Auf diese Art und Weise kann ich Menschen über meine politische Arbeit berichten, die ich sonst nicht erreichen würde." Derzeit gewinnt sie rasant Online-Freunde hinzu. Diese Art von Präsenz ist neu in der Politik. Barack Obama hat im US-Wahlkampf 2008 das Internet genutzt und große Wählerschichten gewonnen. Jüngere Leute fühlen sich von konventioneller Parteiwerbung, Besserwissern in Talkshows und trostlosem Hickhack nicht angesprochen.
Kristina Köhler, die angibt, nicht zu wissen, was sie nun verdient (als Abgeordnete im Bundestag 7668 Euro, als Ministerin 14 701 Euro), liest (unter anderem Philip Roth), hört Popmusik (Lieblingsband: Duo Rosenstolz), reist gern, mag keine Discos und Clubs und trägt, wenn sie ihre Haare zum Pferdeschwanz gebunden hat, Spangen wie ein Teenager. Sie möchte zwei Kinder haben, sieht aber auch in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften "Werte gelebt, die für unsere Gesellschaft entscheidend sind, oft sogar sehr konservative Werte". Nützt es im Wahlkampf, ist sie bereit zu Homestorys in Magazinen wie "Petra" oder "Bunte". Am 13. Februar wird sie ihren Lebensgefährten heiraten. Nicht, weil sie das als Ministerin müsste - das Aufgebot war bereits vor ihrer Berufung in ihrem Heimatort Wiesbaden bestellt.
Offenkundig kennt Köhler politische Mechanismen genau. Dem Autor Thomas Leif, der sie für sein Buch "Angepasst und ausgebrannt. Die Parteien in der Nachwuchsfalle" interviewte, erklärte sie: "Wann geht man offensiv ran, wann telefoniert man rum, wann hält man besser die Klappe, wann geht man nach vorn, wann bleibt man stehen. Wie sucht man sich Verbündete, wie stellt man sich dar. Das passt nicht in Algorithmen, dafür entwickelt man ein Feeling." Köhler ist nach 18 Jahren in der Politik ein Profi. Ihre Facebook-Freunde werden mit ihr über ihr politisches Handeln kommunizieren. Das wird die Politik verändern. Vermutlich wird sie transparenter, erklärbarer, verständlicher werden. Vielleicht ist das ein Gewinn für die Wähler, die durch mehr indirekte Demokratie daran teilhaben können. Moderne Kommunikationsmittel machen's möglich.