Kanzlerin Angela Merkel ist aus dem Urlaub zurück - und von der Leyen, zu Guttenberg und Röttgen bringen sich als Nachfolger in Stellung.
Hamburg. Der Urlaub ist vorbei, Angela Merkel ist zurück. Heute führt die Bundeskanzlerin Regierungssprecher Steffen Seibert in sein Amt ein - ein ruhiger Termin. Manch einem mag es so vorkommen, als sei Merkel gar nicht weg gewesen. Die Reformlinien der Regierung haben zuletzt ohnehin andere gezeichnet: ihre drei ambitioniertesten Minister. Im Sozialressort stellt Ursula von der Leyen (CDU) Hartz IV neu auf, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) macht den Deutschen des Ende der Wehrpflicht immer plausibler, und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) sorgt beharrlich dafür, dass das Land seinen Strom bis 2050 aus erneuerbaren Energien gewinnen soll. Für die drei Unionspolitiker sind ihre Reformen auch ein Testlauf für höhere Weihen. Allen dreien wird nachgesagt, dass sie sich die Kanzlerschaft zutrauen.
Zwar lässt Merkel keine Amtsmüdigkeit erkennen. Aber niemand in der Union bestreitet, dass die Regierungschefin vor ihrem schwierigsten Jahr steht. Sie muss 2011 sechs Landtagswahlen überstehen. Der Parteienforscher und Merkel-Biograf Gerd Langguth ist überzeugt, dass der Rückhalt für Merkel vom Abschneiden in den Ländern abhängt. "Die Wahl in Baden-Württemberg im März ist von besonderer Bedeutung. Wenn dort für die CDU ein Ergebnis wie in Nordrhein-Westfalen herausspringt und Merkel die Dinge laufen lässt wie bisher, dann kann es in der Unionsfraktion im Bundestag zu einer Rebellion kommen", so Langguth im Abendblatt. Merkels potenzielle Nachfolger müssen vorbereitet sein. Nur welche Chancen haben sie, wirklich die Kanzlerschaft zu übernehmen?
Ursula von der Leyen: Ein Aufstieg ist ihr sicher: Im November soll die Arbeitsministerin zur CDU-Vizechefin gewählt werden. Die Beförderung der 51-Jährigen ist im Sinne Merkels. In Koalitionskreisen heißt es, von der Leyen sei nur darum nicht Bundespräsidentin geworden, weil Merkel sie im Kabinett halten wollte - als Reservekanzlerin. Die siebenfache Mutter aus Niedersachsen ist die personifizierte Modernisierung der CDU. Der konservative Flügel beobachtet ihren Aufstieg entsprechend mit Argwohn. Doch er wird die Ministerin kaum aufhalten können. Im Kabinett verwaltet sie fast die Hälfte des Bundeshaushalts. Gelingt es ihr, die Arbeitslosenversorgung sattelfest und sogar kostenneutral neu zu gestalten, hat sie die schwierigste Hürde in ihrem Amt genommen. "Von der Leyen hat die größte Erfahrung von den jüngeren Ministern", hält Politologe Langguth fest. "Sie wäre vermutlich Merkels erste Wahl. Sie verstehen sich einfach auch gut."
Zuletzt gab von der Leyen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Interview, das man auch als eine Bewerbung auf den CDU-Vorsitz verstehen konnte. "Es wird eine Veränderung von Sprache und Herangehensweise an die Politik geben", sagte sie. "Die Union muss mehr zeigen, wohin wir wollen." Von der Leyen geht damit auf leichte Distanz zur Kanzlerin. Geht es um die Nachfolge, könnten ihr eines Tages diese kritischen Sätze noch nutzen.
Norbert Röttgen: Ehrgeizig, fleißig, talentiert - in der Riege der jungen CDU-Politiker hat der Umweltminister den Ruf des Klassenbesten. Merkels Musterschüler galt schon als parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion als ökonomischer Vordenker der CDU. Sein Verhandlungsgeschick, so sagen Parteifreunde, sei kanzlertauglich. Doch Röttgens Interesse an einem raschen Atomausstieg bringt CDU und CSU im Süden der Republik in Rage. "Röttgen ist mindestens so umstritten wie von der Leyen bei einigen Traditionskompanien der Union. Er hat den größten innerparteilichen Widerstand", meint Langguth. Anders als bei von der Leyen ist Röttgens Parteiaufstieg nicht ausgemacht. Der 45-Jährige kämpft in seinem Landesverband Nordrhein-Westfalen um Unterstützung.
Noch ist nicht klar, ob er gegen Armin Laschet für den CDU-Landesvorsitz kandidiert. Ungewiss ist auch, ob der Landesverband Röttgen als CDU-Vize nominiert. "Röttgen geht ein hohes Risiko ein", so Langguth. "Wenn er zum Landesvorsitzenden gewählt werden will, muss er auch die Frage beantworten, ob er bei möglicherweise vorgezogenen Landtagswahlen Spitzenkandidat werden will und sich für eine Landeskarriere entscheidet oder ob er eine Rückfahrkarte zum Bund behalten will." Klar ist: Ohne Machtbasis im Landesverband werden Röttgens Chancen, Merkel zu beerben, fast aussichtslos.
Karl-Theodor zu Guttenberg: Im Online-Sozialnetzwerk Facebook fordern seine Anhänger: "Guttenberg soll deutscher Bundeskanzler werden". In den Umfragen das gleiche Bild: Im Fall eines Rücktritts der Kanzlerin halten die Deutschen den CSU-Politiker für den idealen Nachfolger. Dass er erst 38 Jahre alt ist, spielt keine Rolle. Der beliebteste Politiker ist er ohnehin. "Als Bayer genießt er sogar im Norden Deutschlands große Sympathien. Das ist keine Selbstverständlichkeit", betont Langguth.
Feinde macht sich Guttenberg nur in den eigenen Reihen. Er hat wie kein anderer Minister die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags innerhalb eines Dreivierteljahres überholt: Statt die Wehrpflicht ab dem 1. Januar 2011 von neun auf sechs Monate zu reduzieren, verkürzte er den Dienst bereits ab dem 1. Juli. Nun geht er die Aussetzung der Wehrpflicht an. Parteichef Horst Seehofer war so überrumpelt, dass er Guttenberg öffentlich rügte: "Wir können nicht alle paar Monate unsere politischen Entscheidungen verändern." In der CSU gilt der adlige Minister trotz des Bundeswehr-Radikalumbaus als erster Kandidat für eine Nachfolge Seehofers als CSU-Chef. Auch weil er von dem Posten aus am ehesten eine Kanzlerkandidatur einfordern könnte.