Wenn die Steuer komme und Umweltminister Röttgen strikte Auflagen verordne, lohne sich der Weiterbetrieb zahlreicher Anlagen nicht mehr.
Berlin. Die Atomwirtschaft versucht, den Druck auf die Bundesregierung zu verstärken . Aus Protest gegen die geplante Brennelementesteuer haben die Stromkonzerne E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW der Regierung nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ gedroht, sofort aus der Atomenergie auszusteigen.
Wenn die Steuer komme und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) strikte Auflagen verordne, lohne sich der Weiterbetrieb zahlreicher Anlagen nicht mehr, zitierte das Blatt Vertreter der Konzerne aus den Gesprächen mit der Regierung. Quellen benennt der „Spiegel“ nicht.
Die Bundesregierung hält die Drohung dem Bericht zufolge für „Säbelrasseln“. Zurzeit verhandeln Vertreter der Konzerne mit Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer aus dem Finanzministerium darüber, ob sie im Gegenzug für die von der Koalition geplante Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken statt der Brennelementesteuer auch vertraglich vereinbarte Zahlungen leisten können. Medienberichten zufolge ist eine Summe von 30 Milliarden Euro im Gespräch.
Laut „Spiegel“ liegen beide Seiten bei den Gesprächen weit auseinander. Die Regierung habe alle Vertragsentwürfe der Industrie bislang abgelehnt. Ende September will das Kabinett das Energiekonzept beschließen. Darin sollen alle Fragen zur Laufzeitverlängerung und zur Abschöpfung der zusätzlichen Gewinne der Konzerne geregelt sein.
Druck auf die Beratungen der Regierung machen neben den Energiekonzernen auch die Arbeitgeber (BDA) und der Bundesverband der Industrie (BDI).
BDI-Präsident Hans-Peter Keitel attackierte Umweltminister Norbert Röttgen, der die Verlängerung der Laufzeiten begrenzen und stattdessen den Ausbau regenerativer Energien stärker fördern will. „Es geht aber nicht um Pfadfinder-Ideale, sondern wir brauchen eine realistische Energiepolitik. Herr Röttgen weiß selbst, dass er nicht Vorsitzender von Greenpeace ist“, sagte Keitel dem Magazin „Focus“.
BDA-Präsident Dieter Hundt sprach sich im „Hamburger Abendblatt“ indirekt gegen jegliche Begrenzung der Laufzeiten von Atomkraftwerken aus. „Als Ingenieur plädiere ich dafür, Kernkraftwerke so lange am Netz zu lassen, wie sie sicher und wirtschaftlich sind“, sagte Hundt. Zu möglichen neuen Reaktoren sagte er, es sei bedauerlich, dass die Diskussion darüber in Deutschland „ideologisch“ getrieben sei.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, kündigte angesichts der geplanten Laufzeitverlängerung einen „heißen Herbst“ an. Zu den Verhandlungen zwischen Energiekonzernen und Regierung sagte sie den „Ruhr-Nachrichten“: „Hier geht es um ein schmutziges Geschäft: Milliarden gegen Laufzeiten“. Falls die Regierung versuche, die Verlängerung der Laufzeiten ohne die Zustimmung des Bundesrates zu beschließen, würden die Grünen dagegen beim Bundesverfassungsgericht klagen.