Kaum brummt die Wirtschaft, wachsen die Begehrlichkeiten. Kiels Regierungschef Peter Harry Carstensen: Jetzt den Kurs bloß nicht wechseln!
Hamburg. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat die Bunderregierung davor gewarnt, angesichts der positiven Wirtschaftsentwicklung von ihrem Sparkurs abzuweichen. Im Hamburger Abendblatt verwies er auf die Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung in seinem Bundesland und mahnte: "Diesen strikten Kurs jetzt zu verlassen, wo tatsächlich etwas mehr Geld in die Kasse zu kommen scheint, das wäre sträflich fahrlässig.“ Das könne er „auch Anderen nur empfehlen." Zur Haushaltskonsolidierung gehörten strukturelle Einsparungen bei den Ausgaben, Personalabbau im öffentlichen Dienst und höhere Einnahmen, sagte der Unionspolitiker und fügte hinzu: "Ich habe immer deutlich gemacht, dass für uns in Schleswig-Holstein drei Elemente zur Haushaltskonsolidierung gehören." Nur dadurch komme man in die Nähe des Zieles, 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu haben.
FDP-Chef Guido Westerwelle hatte am Wochenende deutliche gemacht, dass er angesichts des guten Wirtschaftswachstum neuen Spielraum für Steuersenkungen sieht. Angesichts des unerwartet starken Aufschwungs forderte der Bundesaußenminister im Gespräch mit „Bild am Sonntag“, jeden Spielraum für Steuerentlastungen zu nutzen. „Diese Regierung hat die Entlastung der Mittelschicht im Interesse von Wachstum, Arbeitsplätzen und mehr Leistungsgerechtigkeit unverändert fest im Blick. Wo sich Spielräume dafür ergeben, müssen sie genutzt werden“, wird Westerwelle zitiert. Das Statistische Bundesamt hatte am Freitag für das zweite Quartal dieses Jahres eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von 2,2 Prozent gegenüber dem ersten Vierteljahr gemeldet. Das war der stärkste Zuwachs seit der Wiedervereinigung. Westerwelle sagte in dem Interview, für ihn bleibe das Thema: „Wie geben wir die Aufschwungdividende an die weiter, die sie erwirtschaften?“ Die FDP strebe weiter ein einfacheres und insbesondere für die Mittelschicht niedrigeres Steuersystem an.
Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt rechnet derweil mit einer weiteren deutlichen Entspannung am Arbeitsmarkt . "Ich bin sehr optimistisch, dass die Arbeitslosigkeit im Herbst die Drei-Millionen-Grenze unterschreitet", sagte Hundt im Abendblatt-Interview . "Wir erleben einen überraschend starken Aufschwung, es boomt in vielen Branchen." Ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent sei in diesem Jahr möglich. Die Arbeitslosenquote lag im Juli noch bei 3,2 Millionen. Forderungen nach höheren Löhnen wies Hundt gleichwohl zurück. "Ich warne vor einer Diskussion über Lohnerhöhungen zur Unzeit", sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). "Im Moment muss alles verhindert werden, was den Aufschwung bremst. Es dürfen keine zusätzlichen Kosten auf die Unternehmen zukommen - weder durch höhere Steuern und Abgaben noch durch unangemessene Lohnerhöhungen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach der für die schwarz-gelbe Koalition verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai Steuersenkungen bis 2013 ausgeschlossen. Westerwelle verwies auf die bereits erfolgte Entlastung von Familien und Mittelstand zum Jahresanfang. „Das war ganz augenscheinlich ein wichtiger Beitrag zum derzeitigen Wirtschafts- und Jobwunder in Deutschland. Diesen Wachstumskurs sollten wir fortsetzen“, sagte er der Sonntagszeitung. Zugleich kündigte Westerwlle eine Vereinfachung der Steuererklärung an. Ziel entsprechender Überlegungen in den kommenden Wochen sei, dass Steuererklärungen mit weniger Belegen, weniger bürokratischem Aufwand und mehr Pauschalen gemacht werden könnten. Künftig sollten die Finanzämter zum Teil bereits vorausgefüllte Formulare verschicken. „Die Ämter verfügen ja über viele Daten. Das geht auf Knopfdruck“, sagte der FDP-Chef.