Die Spitzen des Staates trauern in Duisburg mit Hinterbliebenen um die Toten der Loveparade. Der Oberbürgermeister fehlte bei der Veranstaltung.
Duisburg. Die Trauernden kommen durch einen Seiteneingang. Rund hundert Angehörige der Loveparade-Opfer betreten langsam die Duisburger Salvatorkirche. Kinder, Großeltern, Eltern. Manche Hand in Hand. Mit ernsten Gesichtern setzen sie sich still in die reservierten Reihen. Notfallseelsorger begleiten sie. Und auch die Helfer, die bei der Loveparade-Tragödie im Einsatz waren, sind beim Gedenkgottesdienst am Sonnabend dabei. Sie tragen ihre leuchtende Einsatzkleidung, wie bei der Katastrophe eine Woche zuvor. Die Spitzen des Staates sind in das gotische Gotteshaus gekommen, um mit den Hinterbliebenen und Rettern um die Toten zu trauern. In der ersten Reihe sitzen Bundespräsident Christian Wulff und seine Frau, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mit Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zusammen. Nach dem Gottesdienst trifft sich Merkel hinter verschlossenen Türen mit den Angehörigen.
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„Die Loveparade wurde zum Totentanz, liebe Gemeinde“, so direkt eröffnet der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, seine Predigt. Er spricht von den Schreckensbildern, den fassungslosen Menschen und erschütterten Helfern - und von „Menschen, die wie versteinert Verantwortung von sich wegschieben“. Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck kommt in seiner kurzen Predigt auf das Thema zu sprechen, das ganz Deutschland seit einer Woche umtreibt. Gott sei für alle da, sagt er, „und auch für diejenigen, die sich der Verantwortung stellen müssen“.
Duisburgs CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland kam nicht zu dem Gedenkgottesdienst. Das Rathaus liegt direkt neben der Kirche, doch das mit Rücktrittsforderungen konfrontierte, umstrittene Stadtoberhaupt ist seit Tagen abgetaucht. Die Kritik bleibt, auch direkt vor dem Rathaus. Inmitten der Absperrungen ist ein Plakat ausgebreitet: „Steht endlich ALLE zu dem was IHR unterlassen habt und erspart den Angehörigen diese FARCE“.
Die kleine Salvatorkirche war am Sonnabend vor allem geladenen Gästen vorbehalten. Vor dem Gotteshaus stauen sich Busse, um die Menschen zur Übertragung ins Fußballstadion des MSV Duisburg zu bringen. Doch viele Busse bleiben leer - der Andrang ist nicht so stark wie erwartet. „Ich hätte gerne eine Übertragung in der Nähe der Salvatorkirche gesehen“, sagt der 48-jährige Jelto Uphoff aus Duisburg. Er war bis jetzt jeden Tag am Tunnel der Trauer, um dort Kerzen für die Opfer anzuzünden. „In mir sind Trauer und Wut. Alles, was ich heute sehe, macht mich traurig“, sagte er.
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Andere Menschen gehen in eines der 14 Gotteshäuser in Duisburg, die die Trauerfeier übertragen. Das etwa einen Kilometer von der Salvatorkirche entfernt katholische Gotteshaus St. Joseph ist voller Menschen, einige stehen, andere kommen gar nicht mehr rein. Die Stimmung im Kircheninneren ist andächtig und still. Draußen ist die Fußgängerzone leer. Kaum jemand kommt zum Wochenendeinkauf in die Stadt. Doch später am Tag füllen sich die Läden. Am Morgen hatten Rettungskräfte in einer Prozession ein Kerzenlicht vom Unglücksort und die Kondolenzbücher von der improvisierten Gedenkstätte in die Salvatorkirche getragen. Die Einsatzkräfte vom Katastrophentag gestalten den einstündigen Gottesdienst mit. Notfallseelsorger, THW-Helfer, Betreuer der Angehörigen zünden langsam Kerzen auf dem Altar an. 21 Kerzen sind es, eine Kerze für jeden Toten. Es dauert sehr lange, bis nach und nach alle Lichter brennen. So wird symbolisch deutlich, welch große Zahl von Toten die Katastrophe hinterlassen hat.
Viele der rund 500 Trauergäste ringen immer wieder mit der Fassung. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Kraft spricht nach dem religiösen Teil Worte des Gedenkens. Die Politikerin hat in den vergangenen Tagen selbst mit vielen Angehörigen von Opfern geredet. Und sie bekennt, mit brüchiger Stimme: „Ich fühle selbst wie schwer es ist, sich nach einer solchen Woche wieder dem Leben zuzuwenden.“
In einer anderen Kirche trauert Katja Gräbert aus Wanne-Eickel. Dicke Tränen kullern über ihre Wange. Die 40-Jährige war während der Massenpanik im Tunnel und hatte sich in der vergangenen Woche komplett in ihre Wohnung zurückgezogen. „Für mich ist die Trauerfeier wie eine Beerdigung wie ein persönlicher Abschluss“, sagte die ganz in Schwarz gekleidete Frau. Der einzige Farbtupfer: ihr pink gefärbter Pony.
Am Unglücksort wurden Trauerkränze niedergelegt. Die Bundeskanzlerin hat ein großes Gebinde in Schwarz-Rot-Gold geschickt. Daneben sind Kränze vom Bundespräsident, von der Ministerpräsidentin, der Stadt Duisburg, von Taxifahrern. Die schweren Blumengestecke stehen auf dem Bürgersteig, vor dem Tunnel, der zum Schauplatz der Katastrophe führt. Auch Bürger haben Sträuße mit breiten Trauerschleifen abgelegt - und mit eindeutigen Aufschriften: „Erst Friede, Freude, Eierkuchen - jetzt Trauer, Wut und Hass - Warum?“.