Nach den Korrekturankündigungen der Arbeitsministerin Ursula von der Leyen rufen Liberale und Arbeitgeber zu Reformen auf.
Hamburg. Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Hartz-IV-Gesetze wird die Kritik an den geltenden Regelungen immer lauter: Nach Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und Hessens Regierungschef Roland Koch (beide CDU) fordern nun die Arbeitgeber und die FDP eine Überarbeitung der Arbeitsmarktgesetze. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sprach sich für mehr Anreize für die Aufnahme eines Vollzeitjobs aus. Heute gehe vom Gesetz in vielen Fällen ein starker Anreiz aus, zur staatlichen Grundsicherung "lediglich ein Taschengeld" hinzuzuverdienen, sagte Hundt der "Berliner Zeitung".
Bislang gibt es bei einer Grundausstattung von 359 Euro einen monatlichen Freibetrag von 100 Euro, der nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird. Bei jedem weiteren Hinzuverdienst bis 800 Euro sind 20 Prozent anrechnungsfrei. Die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände will nun, dass bis zu 200 Euro voll angerechnet werden, aber darüber hinaus die Hinzuverdienstmöglichkeiten verbessert werden.
Den Liberalen gehen die Vorschläge der Arbeitgeber nicht weit genug. Schleswig-Holsteins stellvertretender Ministerpräsident und Arbeitsminister Heiner Garg (FDP) sagte dem Abendblatt: "Der Vorschlag von Herrn Hundt hilft den Empfängern des Arbeitslosengelds II kaum weiter. Die Hinzuverdienstmöglichkeiten müssen weitaus höher sein. Wer arbeiten geht, sollte bis zu 50 Prozent seines Verdiensts behalten dürfen." Garg betonte, man wolle fördern und fordern. "Aber es hakt noch beim Fördern. Wir müssen uns da dringend Gedanken machen."
Der Minister sprach sich neben einer Überarbeitung auch für eine neue Bezeichnung der Hartz-Gesetze aus. "Die Hartz-Gesetze verdienen einen anderen Namen. Denn sie sind längst nicht so bedrohlich, wie der Name suggeriert", so Garg. An der Struktur der Gesetze will der FDP-Politiker aber nicht rütteln. "Der Kern der Arbeitsmarktgesetze darf nicht berührt werden. Es muss bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe bleiben." Auch in der FDP-Bundestagfraktion werden Korrekturen gefordert. Arbeitsmarktexperte Pascal Kober sagte dem Abendblatt: "Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Verbesserung bei den Hinzuverdienstgrenzen ist dringend geboten." In Zukunft müsse jede Maßnahme die Förderung der Menschen im Blick haben, die die Lebenssituation Hartz IV möglichst rasch verlassen sollen. Auch Kober plädierte für verbesserte Fördermöglichkeiten und eine Stärkung der Kommunen: Im Zuge der Verbesserung von Hartz IV müssten "die höheren Kompetenzen der Kommunen im Vergleich zur Bundesagentur für Arbeit genutzt werden".
Von der Leyen hatte am Wochenende Korrekturen bei Hartz IV in Aussicht gestellt. Zudem hatte die schwarz-gelbe Koalition vereinbart, das Schonvermögen für Hartz-IV-Empfänger zur Alterssicherung zu verdreifachen. Im Bundesarbeitsministerium heißt es, bis zum Sommer werde es Vorschläge geben, wie die Hinzuverdienstmöglichkeiten verbessert werden könnten. Gewerkschaftern und Sozialverbände zeigen sich dennoch enttäuscht. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte eine grundlegende Überarbeitung der Arbeitsmarktreform. Unter anderem dürften Arbeitslose nicht länger in Jobs gezwungen werden, die bis zu 30 Prozent unter Tarif liegen.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte ebenfalls eine "Totalrevision": "Es macht keinen Sinn, die Augen davor zu verschließen, dass Hartz IV gescheitert ist. Wir brauchen jetzt eine umfassende Reform der Arbeitsmarktpolitik", sagte gestern der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider. "Die Zeit der Reförmchen ist vorbei." Die Anregungen von der Leyens könne nur ein erster Schritt hin zu einer grundlegenden Reform der Arbeitsmarktpolitik sein, so Schneider.