Werden Fluggäste bald mit Nacktscannern kontrolliert? Innenminister de Maizière ist grundsätzlich dafür. Experten warnen jedoch vor Gesundheitsrisiken.
Berlin. Bundesinnenminister Thomas de Maizière will als Konsequenz aus dem versuchten Anschlag auf ein US-Flugzeug sogenannte Nacktscanner an Flughäfen einsetzen. Voraussetzung sei allerdings, dass Geräte entwickelt würden, die die Persönlichkeitsrechte der Passagiere „vollumfänglich wahren“, sagte de Maizière der „Süddeutschen Zeitung“. Ein Apparat, der diese Maßgabe erfülle, solle bereits im nächsten Jahr vorgestellt werden.
Kritiker halten den Einsatz von Nacktscannern für nicht vertretbar, weil auf ihren Bildern beispielsweise auch Genitalien und Implantate zu erkennen sind. Die neuartigen Geräte könnten die Körperstrukturen der Passagiere unklarer darstellen, versicherte allerdings de Maizière. Ihr Einsatz käme für ihn aber nur infrage, wenn die Geräte leistungsfähig und gesundheitlich völlig unbedenklich seien, sagte de Maiziere. Bisher gebe es allerdings keine Rechtsgrundlage für die Verwendung der Scanner.
Eine Sprecherin des Innenministeriums hatte bereits am Dienstag erklärt, die bisher verfügbaren Nacktscanner, die die Bundespolizei prüft, seien noch nicht einsatzbereit. Als Reaktion auf den Anschlagsversuch würden Fluggäste daher künftig häufiger abgetastet. Auch das Handgepäck solle noch gründlicher durchsucht werden.
Worum geht es bei der Diskussion um Nacktscanner?
Auslöser der verschärften Sicherheitskontrollen ist ein vereiteltes Attentat: Ein Nigerianer hatte am ersten Weihnachtsfeiertag versucht, in einem US-Flugzeug über Detroit Sprengstoff zu zünden, den er Medienberichten zufolge in seine Unterwäsche eingenäht an Bord geschmuggelt hatte. Die Terrororganisation al-Qaida hatte sich zu dem vereitelten Anschlag in einer Internet-Botschaft bekannt und weitere angekündigt.
Vor diesem Hintergrund sprach sich auch die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger für den Einsatz von Nachtscannern an Flughäfen aus. „Mit den technischen Kontrollen, die derzeit an Flughäfen stattfinden, kann man Plastiksprengstoff nicht identifizieren“, sagte Homburger dem „Hamburger Abendblatt“. Die FDP sei gegen die erste Generation von Nacktscannern gewesen, weil sie die Intimsphäre verletzt hätten. Inzwischen gebe es allerdings neue Entwicklungen, die Intimsphäre und Menschenwürde wahrten. „Das ist eine technische Verbesserung, die wir uns zunutze machen sollten.“
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger reagierte zurückhaltend auf die Forderungen nach verschärften technischen Kontrollen. „Ob erhöhte technische Kontrollmaßnahmen den konkreten Anschlagversuch tatsächlich verhindert hätten, kann zuverlässig erst nach einer sorgfältigen Untersuchung des Falles beurteilt werden“, sagte die FDP-Politikerin der „Berliner Zeitung“. „Ob Körperscanner so eingesetzt werden können, dass dabei die Intimsphäre beachtet und die Menschenwürde strikt gewahrt bleibt, hängt entscheidend von der technischen Weiterentwicklung solcher Geräte ab.“ In jedem Fall müsse der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht so gering wie möglich gehalten werden und im Verhältnis zum tatsächlichen Gewinn an Sicherheit stehen.
Der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, lehnt den Einsatz von Nacktscannern an Flughäfen hingegen ab. „Mich überrascht, wie schnell Forderungen erhoben werden, ohne dass die grundsätzlichen Fragen geklärt sind“, sagte Schaar der „Berliner Zeitung“. „Zunächst ist Sachaufklärung angebracht.“
Schaar forderte, es müsse geklärt werden, wie der Sprengstoff durch die Kontrollen habe geschmuggelt werden können, und ob die Technologie geeignet sei, dem vorzubeugen. Zudem müssten beim Einsatz von Scannern die Menschenwürde und der Schutz der Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. „Bei den Geräten, die alles sichtbar machen, ist die Menschenwürde nicht gewahrt“, sagte Schaar.
Der Strahlenschutzexperte der Bundesregierung hat indes vor Gesundheitsrisiken der Nacktscanner gewarnt. Die Röntgenstrahlung habe das Gefährdungspotenzial, langfristig Krebs und Leukämie zu erzeugen, sagte der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission, Professor Rolf Michel, dem Radiosender HR-Info. Bei einer einzelnen Durchleuchtung seien Menschen zwar nur einer sehr geringen Menge von Röntgenstrahlen ausgesetzt, das Risiko steige aber mit jeder Kontrolle. „Für Vielflieger und Menschen, die häufiger gescannt würden, wäre das Risiko doch nicht vernachlässigbar“, sagte Michel.
Als erstes Land Europas haben die Niederlande die rasche Einführung von Körperscannern zur routinemäßigen Kontrolle von Flugpassagieren beschlossen. Spätestens in drei Wochen müssen auf dem internationalen Flughafen Schiphol bei Amsterdam sämtliche Passagiere, die in die USA fliegen wollen, durch einen der sogenannten Nacktscanner gehen, wie Innenministerin Guusje ter Horst am Mittwoch ankündigte. Weitere Airports und Flugziele sollen folgen. Dadurch werde die Sicherheit an Bord „entscheidend verbessert“. Die EU-Kommission plant vorerst keinen neuen Vorstoß zur europaweiten Einführung der Scanner. So wie die derzeit in Deutschland getesteten Geräte arbeiten auch die in Schiphol eingesetzten Scanner auf der Basis von Terahertz- oder Millimeterhertz-Wellen.