Angeblich erhielt der angeklagte Nigerianer eine Ausbildung von al-Qaida im Jemen. Sein Einreise-Visum für die USA war bis nächsten Juni gültig.
Hamburg. Sein Vater hatte es geahnt. Vor einigen Monaten raffte sich der 70 Jahre alte angesehene nigerianische Bankier und ehemalige Wirtschaftsminister seines Landes Umar Abdulmutallab auf, um etwas zu tun, das jedem Vater schwerfallen muss: Er klingelte in der US-Botschaft der nigerianischen Hauptstadt Abuja und schwärzte das Jüngste seiner 16 Kinder an, den da noch 22-jährigen Umar Faruk Abdulmutallab.
Er äußerte sich sorgenvoll über die "Radikalisierung seines Sohnes", so wurde es auch jetzt in der US-Botschaft bestätigt. Seit Freitag sitzt der junge Mann Umar Faruk Abdulmutallab in den USA in Haft. Auf Flug NW 253 der US-Linie Delta/Northwest Airlines von Amsterdam nach Detroit hat er versucht, am Körper den Sprengstoff Nitropenta (PETN) zu zünden und das Flugzeug mit 278 Passagieren an Bord zum Absturz zu bringen.
Vater Abdulmutallab hat seinen Sohn westlich, weltlich erziehen wollen. Er schickt ihn auf die Britische Internationale Schule in Togo, doch schon dort soll Umar Faruk versucht haben, seine Mitschüler für den fundamentalistischen Islam zu begeistern. Er sei ein "Musterschüler" gewesen, der sich "gelegentlich dumme Ideen in den Kopf setzte", sagte sein ehemaliger Geschichtslehrer Michael Rimmer der BBC. In London soll er von 2005 bis 2008 am University-College Maschinenbau studiert haben. Die Familie besitzt offenbar eine Wohnung im Londoner West End. Der "Telegraph" berichtet, dass Abdulmutallab junior in einem Drei-Zimmer-Apartment an der Mansfield Street wohnte, das gestern von der Polizei durchsucht wurde. Allerdings wird der Terrorverdächtige dort lange nicht mehr gewesen sein, denn die Briten verweigern Abdulmutallab im Frühjahr 2009 wegen Sicherheitsbedenken die Wiedereinreise. Anders die US-Behörden. Die Londoner US-Botschaft stellt ihm am 16. Juni 2008 ein Visum aus, das bis zum 12. Juni 2010 gilt.
Abdulmutallab ist unterdessen untergetaucht. Den US-Ermittlern soll er jetzt gesagt haben, dass er sich im Jemen im Terrorlager von al-Qaida ausbilden ließ. Danach wollte er den an seinem Bein befestigten hochexplosiven Sprengstoff im Flugzeug mit einer Spritze zünden. Ähnliches hatte 2001 schon der "Schuhbomber" Richard Reid im American-Airline-Flug 63 von Paris nach Miami vergeblich versucht. Abdulmutallab steigt am ersten Weihnachtstag von Lagos kommend in Amsterdam um in die Maschine von Delta. Abdulmutallab nimmt auf Sitz 19A auf der rechten Seite des A330 Platz. Nicht weit vom Fenster und der Tragfläche, wo eine Explosion größten Schaden angerichtet und die Maschine vermutlich zum Absturz gebracht hätte - hätte sich nicht der Amsterdamer Werbefilmer Jasper Schuringa auf ihn gestürzt und zusammen mit der Crew überwältigt. Der Attentäter erlitt Verbrennungen. Niederländische Behörden bestätigten, dass er die Sicherheitskontrollen passiert habe, ohne dass der Sprengstoff an seinem Körper auffiel. Für den Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, ist das ein weiterer Grund zu prüfen, welche Substanzen erkannt werden können. "Die technischen Möglichkeiten bei der Entdeckung chemischer Substanzen müssen immer auf der Höhe der Zeit sein. Sparen wäre hier in höchsten Maßen verantwortungslos", sagte er dem Abendblatt. Er warnte davor, "die Sicherheit zum Opfer drohender Haushaltskonsolidierungen zu machen". Freiberg: "Die Sensibilität für die Terrorgefahren hat in der Politik nachgelassen."
Gestern Abend kam es auf derselben Flugverbindung von Amsterdam nach Detroit erneut zu einem Zwischenfall. Ein Nigerianer hatte sich eine Stunde lang auf der Bordtoilette eingeschlossen und begann zu randalieren, als er zur Rückkehr zu seinem Sitz aufgefordert wurde. Der Pilot habe Notfallhilfe von der Bodenkontrolle angefordert. Die Maschine der Delta/Northwest Airlines landete mit 256 Passagieren sicher auf einem abgeschirmten Teil des Detroiter Flughafens. US-Behörden gaben Entwarnung: Es handelte sich angeblich um einen Geschäftsmann, dem während des Fluges schlecht geworden sei.