Schleswig-Holstein will im Steuerstreit zwischen Bund und Ländern einen Ausgleich für die befürchteten Einnahmeausfälle.
Berlin. In den Streit zwischen Bund und Ländern über das geplante Wachstumspaket kommt offenbar Bewegung. „Ich bin guten Mutes“, sagte Schleswig-Holsteins FDP-Chef Jürgen Koppelin am Donnerstag zu Reuters in Berlin. Vizekanzler Guido Westerwelle habe sich persönlich in die Suche nach einer Lösung eingeschaltet. Ein ähnlich starkes Engagement sehe er bei Finanzminister Wolfgang Schäuble nicht, monierte Koppelin, der Vizevorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion ist. Koppelin führt wie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) Gespräche mit dem Bund. Sie wollen erreichen, dass Schleswig-Holstein einen Ausgleich für die befürchteten Einnahmeausfälle erhält.
Das Wachstumspaket soll Entlastungen für Familien, Erben, Unternehmen und Hotels im Umfang von rund 8,5 Milliarden Euro bringen. Die schleswig-holsteinische Landesregierung stellt sich quer, weil sie weitere Belastungen für ihren ohnehin maroden Landeshaushalt verhindern will. Noch vor zwei Wochen hatte sich Koppelin skeptisch gezeigt, dass es zu einer Lösung kommen wird.
Neue Nahrung bekam die Auseinandersetzung durch interne Berechnungen der Bundesregierung, über die die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete. Laut Finanzministerium führt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz in Schleswig-Holstein zwar zu Mindereinnahmen von 50 Millionen Euro. Dem stünden aber genauso hohe Mehreinnahmen aus der jüngsten Steuerschätzung nach dem Finanzausgleich für das Land gegenüber.
Über derlei Phantomrechnungen könne er nur den Kopf schütteln, sagte Landes-Finanzminister Rainer Wiegard. „Wir haben die Ausfälle des Landes und unserer Kommunen berechnet und kommen dabei auf rund 70 Millionen Euro Steuermindereinnahmen allein für das Land plus weitere 60 Millionen Euro für die Kommunen“, betonte der CDU-Politiker. Ausgangsbasis seien die im Gesetzentwurf genannten Zahlen. Auch Koppelin kritisierte, hier werde mit gezinkten Karten gespielt. Es sei wenig hilfreich, Berechnungen zu lancieren, ohne dass die Betroffenen selbst diese bekämen. Es handele sich um einen „Blindgänger“.
WIEGARD: „WER RECHNEN KANN, IST IM VORTEIL„
Laut Wiegard bekommt das Land laut Steuerschätzung bis 2013 rund vier Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als bislang geplant. Die Belastungen durch das neue Gesetz kämen noch oben drauf. Gleichzeitig wolle das Land 2020 die Schuldengrenze einhalten. „Wer rechnen kann, ist klar im Vorteil.“
Die nötige Zustimmung des Bundesrats am 18. Dezember steht auf der Kippe. Die Koalition ist dort auf das Ja aller sieben schwarz-gelben Landesregierungen angewiesen. Besonders umstritten ist die geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen.
Als sicher gilt hingegen die schwarz-gelbe Mehrheit für das erste große Gesetzespaket der neuen Bundesregierung bei der Abstimmung am Freitag im Bundestag. Koppelin sagte, auch er werde im Parlament zustimmen, da er den Inhalt des Gesetzes für sinnvoll halte. Die Abgeordneten aus dem nördlichen Bundesland würden vermutlich in einer begleitenden Erklärung auf die besondere Haushaltssituation Schleswig-Holsteins hinweisen.
Union und FDP hatten es abgelehnt, den Gesetzentwurf kurzfristig zu ändern und eine Kompensation für die Länder einzubauen oder die Mehrwertsteuerpläne auszuklammern. Gleichwohl gibt es nach Angaben aus Koalitionskreisen Vorschläge für ein Entgegenkommen an die Länder auf anderen Feldern. So wird etwa über eine Lockerung der Vergaberegeln für das laufende Konjunkturprogramm zugunsten von Ländern und Kommunen diskutiert. Zudem kursieren Überlegungen zur Erhöhung der Finanzhilfen für besonders angeschlagene Länder.