Wann und wie soll Finanzminister Schäuble die Löcher im Haushalt stopfen? Über den Zeitpunkt sind sich viele einig: Am besten sofort.
Berlin. Gerade erst hat die Bundesregierung pünktlich zu Weihnachten Steuergeschenke in der Höhe von insgesamt 8,5 Milliarden Euro verteilt, da stimmt sie auch schon aufs Sparen ein. Zehn Milliarden Euro will der Bund ab 2011 pro Jahr sparen, kündigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Montag in der „Bild“ an. Doch wo soll der Rotstift angesetzt werden? Und ist es früh genug, ab 2011 die Haushaltslöcher zu stopfen? Politiker von Union und FDP sind sich nicht einig. Unter ihnen ist eine Debatte um den bestmöglichen Sparkurs entbrannt. So forderte etwa der FDP- Finanzexperte Frank Schäffler Schäuble auf, mit dem Sparen sofort zu beginnen und nicht bis 2011 zu warten. Schäffler verlangte in der „Frankfurter Rundschau“ bereits für den Haushalt 2010 „mehr Sparanstrengungen“ und eine „größere Ausgabendisziplin“. Er erinnerte an die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, die Ausgaben nicht schneller steigen zu lassen als das Bruttoinlandsprodukt. „Daran müssen wir uns auch halten.“ Zwischen dem Ausgabenplus von mehr als 7 Prozent und dem geschätzten Wachstum von 1,6 Prozent klaffe „ein Delta, das nicht hinnehmbar ist“.
Auch der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, forderte in der „FR“, bereits jetzt müsse jede staatliche Leistung auf den Prüfstand. Ohne Verzicht werde es nicht gehen. Schäuble selbst hatte am Montag in der „Bild“-Zeitung erklärt: „Wir müssen das strukturelle Defizit ab 2011 um zehn Milliarden Euro pro Jahr verringern.“ Bis Juli werde ein entsprechendes Paket geschnürt.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner stellte sich hinter die Position des Finanzministers, sich vorerst nicht konkret zu Sparmöglichkeiten zu äußern. „Ein seriöser Finanzminister muss sich die Spielräume in den einzelnen Etats erst einmal genau ansehen“, sagte Lindner den „Ruhr Nachrichten“. „Wir brauchen eine Strategie, die mit einer kritischen Bestandsaufnahme aller entbehrlichen Programme und Progrämmchen beginnt.“ Frühestens im Sommer werde man soweit sein, so Lindner.
Nach einer Prognose des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) kann Deutschland frühestens 2014 wieder die Verschuldungsgrenzen des Europäischen Stabilitätspakts einhalten. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Regierung auf weitere Steuersenkungen ab 2011 verzichte, das Betreuungsgeld nicht ab 2013 einführe und die Wirtschaftsleistung mittelfristig um zwei Prozent jährlich wachse, berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf die ihm vorliegende Studie.
Um die Haushaltslöcher zu stopfen, wird nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ in der Koalition darüber nachgedacht, von 2011 an den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zu erhöhen. Ohne einen solchen Schritt werde die Regierung auf Jahre hinaus Milliarden an die Bundesagentur für Arbeit (BA) überweisen müssen, heiße es in Fraktionskreisen. Angesichts der spürbar steigenden Ausgaben für das Arbeitslosengeld komme die Bundesagentur mit dem jetzigen Satz von 2,8 Prozent des Bruttolohns bei weitem nicht aus. Schäuble müsse deshalb allein für das kommende Jahr 16 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt zuschießen. Für 2011 kalkuliere man laut „SZ“ regierungsintern mit 14 Milliarden Euro. Würde der BA-Beitrag auf 4,8 Prozent steigen, könnte Schäuble dagegen gänzlich auf Zuschüsse verzichten und das Etatdefizit entsprechend senken.
Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle bestätigte den Bericht der "Süddeutschen Zeitung". ER rechnet aufgrund der Wirtschaftskrise und der hohen Staatsschulden mit höheren Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. „Wenn man den Haushalt durchforstet, dann gibt es nicht viele Bereiche, wo man Einsparpotenziale entdecken kann“, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. „Einer davon wird sein, dass wir falls die Prognosen stimmen mit Sicherheit irgendwann den Arbeitslosenversicherungsbeitrag anheben müssen.“ Die Größenordnung sei noch nicht abzusehen. „Aber 2,8 Prozent werden dann nicht mehr zu halten sein.“
Statt die Sozialabgaben zu erhöhen, schlägt der FDP-Fraktionsvize Carl-Ludwig Thiele vor Subventionen zu kürzen. „Wenn die Krise vorbei ist, müssen Subventionen mit dem Rasenmäher gekürzt werden“, sagte er der der „Passauer Neuen Presse“. Alle Ausnahmen würden um einen gleichen Prozentsatz zurückgefahren, um die Lasten gleichmäßig auf die bisher Begünstigten zu verteilen.
SPD-Haushälter Carsten Schneider warf Schäuble vor, Kürzungen bei den Sozialausgaben zu planen. Ausdrücklich warnte der Sozialdemokrat davor, zur Sanierung der Haushalte die Steuerfreiheit für Schichtzuschläge abzuschaffen. „Wenn die wirklichen Leistungsträger, die Krankenschwestern und Feuerwehrleute, die Steuergeschenke an die Hotelketten mit ihren Schicht- und Nachtzuschlägen bezahlen sollen, wäre das zynisch“, sagte Schneider der „FR“. Der grüne Haushaltsexperte Alexander Bonde erklärte, es sei unmöglich, die Haushalte sozial und ökologisch ausgewogen zu sanieren, wenn die Koalition die Einnahmebasis schwäche. „Union und FDP werden entweder mutwillig tricksen oder mit der Axt auf soziale Leistungen hauen.“