Im nächsten Jahr könnten monatlich sechs bis acht Euro Sonderbeitrag fällig werden. Koalition ringt um neue Modelle der Finanzierung.
Hamburg/Berlin. Gesundheitsexperten haben es kommen sehen, allerdings nicht so früh und nicht so dramatisch: Der erst vor knapp elf Monaten eingeführte Gesundheitsfonds zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wird schon in diesem Jahr nicht mit dem Geld auskommen. Das Minus wird rund 2,3 Milliarden Euro betragen, hat der Ersatzkassenverband VDEK errechnet. Wegen der Wirtschaftskrise sind die Einnahmen geringer als erwartet, zugleich steigen die Ausgaben für medizinische Behandlung.
"Es besteht jetzt die Notwendigkeit, diese fehlenden 2,3 Milliarden dem Fonds zur Verfügung zu stellen", sagte der VDEK-Vorstandsvorsitzende Thomas Ballast dem Hamburger Abendblatt. Woher das Geld kommen soll, ist allerdings fraglich. Laut Gesetz können Krankenkassen, die mit ihren vom Gesundheitsfonds zugeteilten Mittel nicht hinkommen, von ihren Versicherten einen Zusatzbeitrag verlangen. "Die Situation ist so, dass ab 2010 eigentlich alle Kassen Zusatzbeiträge erheben müssten", sagte Ballast. Allerdings fürchten sie diesen Schritt, weil die Versicherten dann ein Sonderkündigungsrecht haben und die Kasse sofort wechseln dürfen.
Um das Milliardenloch zu stopfen, müssten alle 170 gesetzlichen Kassen durchschnittlich pro Monat sechs Euro an Zusatzbeitrag erheben. Viele Kassen, zumal die drei großen - Techniker, Barmer und DAK - haben angekündigt, vorerst darauf zu verzichten. Verbandschef Ballast rechnet jedoch damit, dass die Extraprämie, wenn sie im Laufe des nächsten Jahres doch durchkommt, acht Euro pro Monat betragen wird. Geht sie darüber hinaus, sind die Kassen verpflichtet, bei den betroffenen Versicherten eine Einkommensprüfung vorzunehmen, um Geringverdiener nicht über Gebühr zu belasten. Die Sonderbeiträge müssen von den Kassenmitgliedern allein bezahlt werden; Arbeitgeber beteiligen sich daran nicht.
Obendrein erhöht die Erhebung einer Extraprämie den Verwaltungsaufwand der Kassen beträchtlich. Alle Kassen insgesamt, so Ballast, müssten dafür 400 Millionen Euro ausgeben. "Das Geld würde ich lieber in die medizinische Versorgung stecken", sagt Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender der Techniker-Krankenkasse.
Kassenverbands-Chef Ballast kritisierte im Abendblatt zugleich die unklare Gesundheitspolitik der neuen schwarz-gelben Bundesregierung. "Der Koalitionsvertrag ist mit Unverbindlichkeiten gefüllt." Union und FDP wollen eine Kommission einsetzen, die zwischen den unterschiedlichen Positionen der FDP um Gesundheitsminister Philipp Rösler und der Union vermitteln soll.
Gegenwärtig zeichnet sich ein Drei-Säulen-Modell ab, nach dem der umstrittene Gesundheitsfonds (derzeitiges Volumen: rund 167 Milliarden Euro) künftig finanziert werden soll.
- Ein Steuerzuschuss des Bundes bleibt, unter anderem für die kostenlose Mitversicherung von Kindern. Er soll auch soziale Härten ausgleichen.
- Der Arbeitgeberbeitrag wird bei 7,0 Prozent des Monatsbruttoeinkommens eines Versicherten eingefroren.
- Kompliziert wird es beim Versicherten selbst. Er entrichtet derzeit 7,9 Prozent von seinem Bruttoeinkommen. Die Kompromisslinie sieht vor: Künftig zahlt er eine feste Pauschale (sogenannte Kopfprämie) und darüber hinaus einen einkommensabhängigen Beitrag. Das Kölner IGKE-Institut hat ausgerechnet, dass etwa 125 Euro pro Versicherten im Monat an Kopfprämie reichen würden, um den Fonds nach derzeitigem Stand zu füllen. Sind Ehegatten mitversichert, wären es 145 Euro.
Da die Pauschale für Geringverdiener höher und für besser verdienende Beschäftigte niedriger ist als ihr Prozentanteil vom Einkommen, würde das bedeuten: Wer 1000 Euro brutto verdient, müsste nach dem Modell monatlich mindestens 45 Euro mehr, wer 2000 Euro verdient, müsste 35 Euro weniger zahlen als bisher. Bei einem Einkommen von 3000 Euro läge die Ersparnis schon bei 115 Euro.
Ballast erklärte: "Darin liegt ein großes Risiko für die Versicherten. Sie müssten die steigenden Kosten im Gesundheitswesen allein finanzieren."
Für die Kopfprämie tritt vor allem die FDP ein, während die CSU sie zu verhindern versucht. Deren Vorsitzender, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, hat vergangene Woche noch einmal betont: "Es ist völlig ausgeschlossen, dass wir unser Gesundheitswesen durch eine einkommensunabhängige Prämie finanzieren."