Sollen die Neuwahlen blockiert werden? Die Sozialdemokraten sind uneins, wie sie mit Carstensen umgehen wollen. Die Grünen legen bereits ein Wahlziel fest. Und FDP-General Niebel macht sich über “Uhu-Stegner“ lustig.
Hamburg/Berlin. Ein Signal der Unterstützung sieht anders aus. Als SPD-Parteichef Franz Müntefering das Ende der Kieler Koalition kommentierte, lag in den Worten eine gewisse Bleischwere. "Ich verstehe aber gut, dass die SPD Schleswig-Holstein den Bruch der Koalition durch die CDU nicht akzeptieren kann." Müntefering kann eigentlich ganz anders sein. Diesmal wollte er nicht. Er sagte sogar, dass alle weiteren Entscheidungen nun beim Landesverband in Kiel lägen. Aber er sagte nicht, dass er den Kurs von SPD-Landeschef Ralf Stegner für richtig halte, die Große Koalition fortführen zu wollen. Genau das hatte Stegner offenbar erwartet.
Hatte er die Haltung der Bundespartei unterschätzt? In der SPD-Bundestagsfraktion zeichnet sich ein uneinheitliches Bild darüber ab, ob man vorzeitigen Neuwahlen grünes Licht geben solle. Der erste Zweifler war gestern der Kieler SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels: "Nun können wir auch auf Bundesebene erst recht glaubwürdig sagen, dass wir nicht auf eine Fortsetzung der Großen Koalition spielen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Auch sein Steinburger Fraktionskollege Jörn Thießen deutete an, dass ein schnelles Ende der Koalition die beste Lösung wäre. "Carstensen muss jetzt handeln. Wenn er mutig wäre, würde er die roten Minister sofort entlassen", sagte Thießen dem Abendblatt.
Doch von gemeinsamer Linie der schleswig-holsteinischen SPD-Bundespolitiker konnte keine Rede sein. Der Chef der Nord-SPD-Abgeordneten im Bundestag, Ernst-Dieter Rossmann, sagte: "Es gibt keinen Grund für Neuwahlen." Den Regierungschef griff er scharf an: "Ministerpräsident Peter Harry Carstensen ist ein Spalter des Landes und betreibt die Machtpolitik eines alt gewordenen Gutsherrn." Auch der Eckernförder Abgeordnete Sönke Rix ging auf Stegner-Kurs. Mit den Neuwahlen wolle die CDU davon ablenken, dass sie keine Ideen habe, sagte Rix dem Abendblatt. "Sie will den Windschatten der Bundestagswahl und die zurzeit guten Umfragewerte nutzen."
Bei CDU, FDP und Grünen gab es derartige Debatten natürlich nicht. Dort erwartet man gespannt das Abstimmungsverhalten der Kieler SPD-Fraktion am Montag und gab dem Konkurrenten gestern erst mal reichlich Hohn mit auf den Weg. Die SPD solle nicht "an den Ministersesseln kleben", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, und FDP-General Dirk Niebel dachte sich für Stegner gar eine Wortschöpfung aus. "Erst Pattex-Heide und nun Uhu-Stegner - klebriger geht's bald nicht mehr bei der SPD", sagte Niebel dem Abendblatt. Um in Bildern zu bleiben, fügte er an: "Schwarz-Rot riecht nicht nur in Kiel nach alter Sprotte."
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast setzte bereits ein Ziel für die Landtagswahl fest: "Wir setzen in Kiel und Berlin auf Platz drei. Die steife Brise des Wechsels aus Kiel nehmen wir erfreut auf", so Künast im Abendblatt. Carstensen und Stegner hielt sie in gleichen Teilen für den Bruch verantwortlich. "Auch in Kiel gilt das neue Scheidungsrecht, schuld haben immer beide! Das Pärchen Carstensen/Stegner ist schon lange zerrüttet."