Professor Wichard Woyke, Parteienforscher an der Universität Münster, analysiert für das Abendblatt die wichtigsten Fragen zum Scheitern der Großen Koalition in Schleswig-Holstein.
Hamburger Abendblatt:
Professor Woyke, wer ist schuld am Scheitern der Großen Koalition in Kiel?
Wichard Woyke:
Das wird nicht nur einer sein. Die Koalition hat schon schwierig begonnen. Ich denke an diese unwürdige Wahl, vielmehr Wahlversuche, von Heide Simonis - und dann ist es nur eine Notkoalition geworden. Sicherlich haben beide Parteien Dinge getan, die dem Partner nicht zugutekamen.
Abendblatt:
Bislang weigert sich die SPD größtenteils, den Weg für Neuwahlen frei zu machen. Kann die Koalition überhaupt noch regieren?
Woyke:
Diese Koalition hat abgewirtschaftet. Sie kann formal existieren, aber von Regieren im eigentlichen Sinne kann nicht die Rede sein. Es können kaum Neuerungen vorgenommen werden. Es ist sinnvoll, wenn möglichst bald Neuwahlen stattfinden.
Abendblatt:
Beeinflusst das Kieler Geschehen die Bundestagswahl?
Woyke:
Das denke ich nicht. Das sind zwei Paar Schuhe. Die Berliner können sich noch gegenseitig angucken und vertrauen. In Kiel haperte es von Anfang an Vertrauen. Von daher gibt es erhebliche Unterschiede in der Bewertung. Aber man kann nicht ausschließen, dass sich dies auf den Wahlkampf auswirkt.
Abendblatt:
Inwiefern?
Woyke:
Die FDP ist ganz wild darauf, die christlich-liberale Koalition in Kiel zu schmieden und das als Modell für Berlin hinzustellen. Sie argumentiert, dass das Regieren in Berlin leichter würde, weil Schwarz-Gelb wegen des Stimmenverhältnisses dann auch im Bundesrat die besseren Karten hätte.
Abendblatt:
Fördert das Scheitern der Kieler Koalition die Politikverdrossenheit?
Woyke:
Das kann sein. Aber was nützt es, wenn das Land weiterhin von einer Notkoalition regiert wird, bei der nichts rauskommt. Dann ist es schon besser, wenn sie sagt: Wir konnten nicht anders, wir irrten. Wir wollen jetzt einen sauberen Schnitt. Entscheide du, Wähler.
Abendblatt:
Sind Große Koalitionen überhaupt sinnvoll?
Woyke:
Es gibt Situationen, in denen es keine Alternative gibt. In Deutschland ist das Modell Große Koalition eine Ausnahme, die nur praktiziert wird, wenn es keine andere Möglichkeit gibt. Das ist nicht oft der Fall.