Seine Vorfahren haben die Deutsche Bank mitgegründet, jetzt will der Hamburger für Merkel die Sparer retten.

Hamburg. Er stand da im Frack, die Fliege eng gebunden. Das weiße Hemd spannte leicht über der lipoiden Verquellung, wie Ärzte das Bäuchlein der Männergeneration 60 plus nennen. Im grauen Glitzerkleid stand sie da: schlank, fast sehnig, blond, halb so alt, erfolgreich.

Der Eröffnungstanz beim Ball des Sports gehörte Peer Steinbrück und Regina Halmich. Selbst beim Schwof mit der früheren Boxweltmeisterin konnte der Finanzminister nicht umhin, energisch die Führung zu übernehmen. Komme da, wer wolle.

Peer Steinbrück (61), das beweisen die Affären um die Landesbanken, die Mittelstandsbank IKB, das Ringen um die Führung in der SPD, den Bundeshaushalt und jetzt die globale Finanzkrise, ist in seiner besten Rolle angekommen: Macher, Strippenzieher und Verkäufer guter wie übler Botschaften. Nebenbei ist er unter verschärften Umständen Angela Merkels wichtigster Mann im Kabinett geworden.

Er und sie in Hamburg geboren, beide in einem Bundeskabinett - das waren schon die Gemeinsamkeiten. Die Kanzlerin muss auf seine messerscharfe Analyse und seine Empfehlungen setzen. Bankenrettung oder -verkauf, Einlageversprechen, Abstimmung unter den Finanzexperten der Europäischen Union - er muss in seinen Verhandlungen auf ihre Loyalität vertrauen.

Steinbrück hat in den drei Jahren seiner Amtszeit immer häufiger den aufbrausenden Charakter, den Mann der derben Worte aus seinem rationalen, strategischen Geist ausbrechen lassen. Das bekamen Mitarbeiter des Ministeriums zu spüren oder politische Träumer. Die in der SPD nannte Steinbrück "Heulsusen".

Er kalkuliert die Aufregung nicht. Sie ist ihm gleich. Getreu dem Motto, das er dem "Spiegel" verriet: "Wenn es wirklich um Popularität ginge, wären Donald Duck und die Muppets längst im Deutschen Bundestag."

Steinbrück selbst ist ein Opfer fehlender Popularität. Mit Pauken und Trompeten wurde er 2005 als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen abgewählt. Obwohl Steinbrück nach Schulzeit in Hamburg, Wirtschaftsstudium in Kiel, Referentenjobs, Ministerämtern in Kiel (Wirtschaft) und Düsseldorf (Finanzen) im Rheinland heimisch wurde: Ein Landesvater à la Johannes Rau wäre er in diesem Leben nicht mehr geworden.

Mittlerweile ist er Deutschlands Steuermann und Kassenwart, aber auf Augenhöhe mit den Größen der Finanzwelt. Im Gespräch sagt er nie "der Vorstandssprecher der Deutschen Bank" oder "Bundesbankpräsident". Steinbrück sagt: "Das habe ich Ackermann gesagt. Darüber habe ich mit Weber schon gesprochen." Unausgesprochen bleibt: Nicht Parteikollege Hans Eichel ist sein Vorbild, der 1998 als sparsamer Finanzminister begann und wegen der mehrfach verpassten Maastricht-Kriterien Deutschlands später mehr Spott als Respekt erntete. Steinbrück blickt auf "Superminister" wie Karl Schiller, Hans Apel oder Ex-Kanzler Helmut Schmidt. In diese Liga strebt er.

Das war nicht wirklich abzusehen, als er an einem verregneten Dienstagmorgen im November 2005 am Flughafen Köln/Bonn saß, um nach Berlin zu fliegen. Grimmig stellte er seine Tasche in der Lufthansa-Lounge ab, ordnete den Schal, blickte giftig zu Boden. "Guckt woanders hin, quatsch mich bloß keiner an", sagte seine Körpersprache. Ein abgewählter Regierungschef auf dem Weg zur Vereidigung als Nebendarsteller einer ungewollten Großen Koalition.

Jetzt ist er plötzlich vorne bei den Rampensäuen, bei den Experten zwischen der Wunderwelt der Wirtschaft und denen, die das verantworten, helfen und dem Volk erklären müssen.

Dabei fehlte ihm, dem Geist- und Wortreichen, zuletzt selbst die Fassung. Es ging um den ihm persönlich gut bekannten Klaus Zumwinkel. Der Post-Chef hatte einen Teil seines Vermögens nach Liechtenstein geschafft, um Steuern zu sparen. Die Staatsanwaltschaft veranstaltete eine formvollendete Razzia bei Zumwinkel, die in die Finanzgeschichte der Bundesrepublik eingehen wird.

Diese Gier, dieses "Rattenrennen nach Rendite", wie Steinbrück es einmal vor Brokern in der Deutschen Börse sagte, das widerstrebt ihm. Im privaten Kreis würde er "ankotzen" sagen. Hass auf Manager, mehr Gleichmacherei? Nein. Aber für den Gedanken der Gerechtigkeit in der sozialen Marktwirtschaft, dafür kann er sich erwärmen.

Seine Mutter, eine gebürtige Dänin, lebt noch in Hamburg. Steinbrück wohnt mit seiner Frau, einer Lehrerin, in Bonn. Die drei Kinder sind erwachsen. Einmal wollte er "quasi als kleine Geldanlage" ein paar hochpreisige Flaschen Rotwein im Keller bunkern. Ohne Arg tranken sie die Töchter bei einer Feier leer.

Das Gen für einen Finanzminister scheint ihm in die Wiege gelegt. Steinbrücks Urgroßonkel Adelbert Delbrück hat die Deutsche Bank mitgegründet. "Ich hab mal prüfen lassen, ob ich da noch Ansprüche habe", sagte Steinbrück einmal im kleinen Kreis. Hieß übersetzt: Da war nichts zu holen.