Die Grünen kritisieren Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) und werfen ihr ein reaktionäres Rollenbild aus den 50er-Jahren vor.
Berlin. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sieht in dem heftig umstrittenen Betreuungsgeld ein Mittel gegen "Einheitsfamilien". Das Betreuungsgeld sei "keine Fernbleibe-Prämie" wie von der Opposition dargestellt, sagte Schröder der "Passauer Neuen Presse". Es solle vielmehr die Väter und Mütter unterstützen, die ihre Kinder nicht in eine Kindertagesstätte geben wollten. Bei den unter Dreijährigen seien das immerhin 60 Prozent. In Deutschland gebe es "zum Glück Vielfalt und keine Einheitsfamilien", sagte die Ministerin. Schröder betonte, sie wolle Eltern die Wahl lassen: "Entweder sie nehmen einen Kita-Platz in Anspruch, der mit rund 1000 Euro monatlich öffentlich bezuschusst wird, oder sie entscheiden sich für eine Barleistung, weil sie die Betreuung selbst organisieren." Bei den Details bitte sie um Geduld: "Ich werde jetzt nicht ständig neue Wasserstandsmeldungen zum Gesetzentwurf abgeben."
Die Grünen reagierten empört auf die Äußerungen der Ministerin. Parteichefin Claudia Roth sagte dem Abendblatt, jetzt lasse Schröder endlich die Katze aus dem Sack: "Es ist ihr nicht nur egal, dass es bislang keine wirkliche Wahlfreiheit gibt und Familien, die ihre Kinder in die Kita schicken wollen, schlicht keinen Platz bekommen. Vielmehr will sie diese Eltern auch noch aktiv mit dem Betreuungsgeld bekämpfen."
+++ Senat prüft Klage gegen das Betreuungsgeld +++
Es sei eine "bodenlose Unverschämtheit", wenn Ministerin Schröder Familien, die sich dafür entscheiden, ihre Kinder in eine Kita zu schicken, als "Einheitsfamilien" diffamiere, sagte Roth weiter. "Es zeigt nicht nur das reaktionäre Rollenbild à la 50er-Jahre der CDU-Familienministerin, für die die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere offenkundig kein politisches Ziel ist." Deutlich werde auch, wie fern jeglicher Lebensrealität in diesem Lande Schröder sei, kritisierte Roth. Viele Familien seien darauf angewiesen, dass beide Elternteile arbeiten gehen. Diese suchten händeringend einen Kita-Platz, betonte die Grünen-Chefin. "Ganz zu schweigen von Alleinerziehenden, die dringend auf Betreuungsmöglichkeiten angewiesen sind."
Unklar sind weiter die Kosten der geplanten Maßnahme, die ab 2013 greifen soll. Die Familienministerin geht von rund 1,2 Milliarden Euro Kosten pro Jahr aus. Die SPD-Vize Manuela Schwesig spricht von zwei bis drei Milliarden Euro. Einige Experten rechnen sogar mit bis zu vier Milliarden Euro jährlich. Das Betreuungsgeld wird in Form eines Leistungsgesetzes festgeschrieben - voraussichtlich als Bestandteil des Elterngeldgesetzes.
Bei einem Leistungsgesetz kommt es auf die tatsächliche Inanspruchnahme an. Das heißt, der Staat muss auch dann die zugesagte Leistung erbringen, wenn der ursprünglich im Bundeshaushalt für das jeweilige Jahr ausgewiesene Betrag schon längst ausgegeben ist. Dies ist zum Beispiel beim Elterngeld häufiger der Fall gewesen.