Nachdem die FDP das Betreuungsgeld für “verfassungsrechtlich zweifelhaft“ bezeichnet hat, fordert die SPD-Vizechefin jetzt Taten.
Hamburg/Berlin. Nach der Äußerung verfassungsrechtlicher Bedenken in der FDP gegen das Betreuungsgeld hat die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig die Liberalen aufgefordert, das Betreuungsgeld innerhalb der Bundesregierung zu stoppen. „Die FDP muss jetzt den Rücken gerade machen, ihren Worten Taten folgen lassen und das Betreuungsgeld stoppen“, sagte Schwesig dem Abendblatt. Die Liberalen seien „offensichtlich aufgewacht“, sagte die SPD-Politikerin weiter. Auch sie äußerte verfassungsrechtliche Bedenken: „Es liegen seit langem Verfassungsgutachten vor, die aufzeigen, dass das Betreuungsgeld verfassungsrechtlich bedenklich ist.“
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Schwesig kündigte zugleich an, bei einer SPD-Regierungsübernahme 2013 das Betreuungsgeld wieder abzuschaffen, sollte Schwarz-Gelb es doch noch einführen. „Wenn Schwarz-Gelb Nägel mit Köpfen macht, wird die SPD 2013 das Betreuungsgeld abschaffen. Das Geld werden wir eins zu eins in den Krippenausbau stecken und damit den Kindern und Eltern zugute kommen lassen“, sagte Schwesig.
Die Vorsitzende des Familienausschusses, Sibylle Laurischk, hat am Mittwoch Bedenken gegen das geplante Betreuungsgeld erhoben. „Ich bezweifle, dass der Bund für die Einführung eines Betreuungsgeldes überhaupt zuständig ist“, sagte die FDP-Politikerin der „Rheinischen Post“ und drohte mit der Ablehnung des Vorhabens im Bundestag. Laurischk wies darauf hin, dass der Bund für eine Familienförderleistung wie das Betreuungsgeld nur dann zuständig sei, wenn die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit eine bundesgesetzliche Regelung erfordere. „Diese Voraussetzung kann ich beim Betreuungsgeld nicht erkennen“, sagte sie und fügte hinzu: „Die FDP-Fraktion wird einem Gesetz, das verfassungsrechtlich zweifelhaft ist, nicht zustimmen.“
Das von der CSU initiierte Betreuungsgeld soll ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die ihre Kleinkinder zu Hause betreuen. Im ersten Jahr sind 400 Millionen und ab 2014 je 1,2 Milliarden Euro eingeplant. Bouffier verlangte in der „Rheinischen Post“ ein klares Bekenntnis zum Koalitionsvertrag: „Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung im Bund für die Einführung eines Betreuungsgeldes ausgesprochen, dabei muss es dann auch bleiben.“ Auch die Junge Union hält am Betreuungsgeld fest. JU-Chef Philipp Mißfelder (CDU) und seine Stellvertreterin Dorothee Bär (CSU) erklärten, die „kognitive und emotionale Entwicklung - und damit die Grundlage für spätere Bildung - kann nur gelingen, wenn das Bedürfnis des Kleinkindes nach Sicherheit durch verlässliche Bindung befriedigt wird“.
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Doch genau dies bezweifeln viele Kritiker. Wenn Eltern dafür Geld bekämen, dass sie ihre Kinder zu Hause betreuen, könne dies gerade Familien aus bildungsfernen Schichten zum Verzicht auf frühkindliche Bildung bewegen, sagte etwa DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann der „Passauer Neuen Presse“. Die frühkindliche Förderung sei jedoch entscheidend für den weiteren Bildungsweg. „Deshalb plädiere ich dafür, sich auf den ohnehin stockenden Ausbau der Kinderbetreuung zu konzentrieren“, sagte Driftmann. „Zudem konterkariert das Betreuungsgeld tendenziell das Ziel einer höheren Erwerbstätigkeit von Frauen.“
Auch der Deutsche Landkreistag setzt auf den Ausbau der Kinderbetreuung. Die von der Regierung ab 2014 jährlich eingeplanten 1,2 Milliarden Euro seien besser in Betreuungsangebote investiert, sagte die Sozialbeigeordnete des Verbands, Irene Vorholz, im ZDF-„Morgenmagazin“. Die geplante Prämie sei „eine Sozialleistung, die im Ergebnis gegen den Ausbau gerichtet ist.“ Ohnehin fehle an Geld und Zeit, um den ab 2013 geltenden Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz gewährleisten zu können.
Berechnungen des ZEW zufolge könnte der stockende Ausbau der Kinderbetreuung die Kosten für das Betreuungsgeld in die Höhe treiben. „1,2 Milliarden sind sehr optimistisch gerechnet“, sagte Holger Bonin vom ZEW. Derzeit gebe es lediglich Betreuungsplätze für rund ein Viertel der Kinder - laut Gesetz sollten es bis August nächsten Jahres 35 Prozent sein. Hinzu käme der sogenannte Verhaltenseffekt, wonach das Betreuungsgeld vor allem für einkommensschwache Familien entscheidungsrelevant sein könnte, diese also vermehrt zu Hause bleiben würden. Insgesamt geht das ZEW von Kosten in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro aus.
Das Bundesfamilienministerium hat die Berechnungen zurückgewiesen. „Wir können die Zahlen, die dort vorgenommen werden, nicht nachvollziehen“, sagte Ministeriumssprecher Christoph Steegmans am Mittwoch in Berlin. Hingegen seien die Zahlen seines Hauses „solide, sie sind seriös“. Steegmans wies auch den Vorwurf zurück, der Ausbau der Kinderbetreuung komme nicht voran.
Steegmans sagte, es sei eine falsche Annahme, dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder unter drei Jahren ab 2013 nicht umgesetzt werden könne. „Wir haben keine Indizien, dass irgendein Land bislang für sich die Perspektive eröffnet hätte, den Rechtsanspruch nicht einlösen zu können“, sagte er. Die Bundesregierung habe im Gegenteil den Eindruck, dass sich „die Länder sehr anstrengen“. Für den Ausbau der Kindertagesstätten sei genügend Geld vorhanden, versicherte Steegmans. Im entsprechenden Sondervermögen des Bundes seien mit Stichtag 2. April 300 Millionen Euro an Bewilligungsgeldern noch nicht abgefragt worden. Zudem seien 700 Millionen Euro an bewilligten Geldern noch nicht abgerufen worden.
Mit Material von dapd