Landeschef Weinberg ist gegen eine Anrechnung des Betreuungsgeldes auf Hartz-IV-Leistungen: “Der falsche Weg.“ Er habe große Bedenken.
Hamburg/Berlin. Die schwarz-gelbe Bundesregierung ringt um einen Kompromiss bei der Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes. Der jüngste Vorschlag sieht vor, die Zahlung an Familien, die ihr Kleinkind nicht in eine Kita geben wollen, in voller Höhe auf mögliche Hartz-IV-Leistungen anzurechnen. So soll verhindert werden, dass arme Familien ihre Kinder aus der pädagogisch wünschenswerten Kita herausnehmen, nur um ihr Einkommen aufzubessern.
Doch die Kritik an dem in Regierungskreisen diskutierten Plan, über den die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, kam umgehend auch von den Unions-internen Gegnern des Betreuungsgeldes. Der Hamburger CDU-Landesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Marcus Weinberg äußerte "große Bedenken" gegen den Vorschlag. "Das Betreuungsgeld soll die Erziehungsleistung der Eltern anerkennen", sagte Weinberg dem Abendblatt. Das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) sei dagegen eine Einkommensersatzleistung. "Beides miteinander zu vermengen ist ordnungspolitisch der falsche Weg", sagte Marcus Weinberg.
Er zählt zu den bislang mehr als 20 Unions-Bundestagsabgeordneten, die das vor allem von der CSU geforderte Betreuungsgeld ablehnen. Die vom Koalitionsausschuss vereinbarte Leistung von zunächst 100, später 150 Euro monatlich sollen Eltern erhalten, die ihre Kleinkinder selbst betreuen und nicht in eine Kita schicken.
"Wer das Betreuungsgeld retten will, muss es ändern", sagte Weinberg. Deswegen müssten alle überlegen, welche Kompromisse es gebe. Er könne sich zum Beispiel eine Kombination aus einem kostenfreien drei- oder vierstündigen Krippenbesuch und einem dann anteilig abgesenkten Betreuungsgeld vorstellen. "Voraussetzung ist, dass die Mutter eine Teilzeitbeschäftigung aufnimmt", sagte Weinberg. So könnte der befürchteten Fehlsteuerung, dass der erzieherische Anreiz verpuffe, entgegengewirkt werden.
+++ Leitartikel: Hartz IV-Streit lenkt ab +++
Die Spitzen der Koalition hielten sich gestern mit Äußerungen zurück. Eine Sprecherin des Bundessozialministeriums sagte lediglich, ob es eine Anrechnung auf Hartz IV gebe, sei noch unklar. "Da bisher kein Gesetzentwurf vorliegt, kann darüber keine Aussage getroffen werden", sagte die Sprecherin. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt äußerte sich allerdings positiv zu einer solchen Anrechnung.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wertete die geplante Anrechnung auf Hartz-IV-Leistungen als "letzten Beweis" für die Überflüssigkeit des Betreuungsgeldes. Eine arbeitslose Mutter ohne Kita-Platz gehe leer aus und "eine gut situierte Managerfrau bekommt es", kritisierte Nahles im "ARD-Morgenmagazin".
Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Steffi Lemke, bemängelte, der Plan, Hartz-IV-Empfänger leer ausgehen zu lassen, richte sich gegen diejenigen, "die sich nicht wehren können". Kritik kam auch von Grünen-Parteichef Cem Özdemir. "Wenn man sich in der Sackgasse verrannt hat, dann sollte man nicht einen Gang höher schalten, sondern rückwärtsfahren", sagte Özdemir.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Dienstag ein Machtwort gesprochen und deutlich gemacht, dass das Betreuungsgeld trotz der Kritik in den Reihen der Koalition eingeführt werden soll.