Im Bundestag in Berlin streiten sich Union und Opposition trotz gegenseitiger Appelle um die milliardenschweren Griechenland-Hilfen.
Berlin. Union und Opposition überziehen sich wegen der gestern im Kabinett beschlossenen Milliardenhilfen für Griechenland gegenseitig mit schweren Vorwürfen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe rief SPD und Grüne dazu auf, ihrer "staatspolitischen Verantwortung" gerecht zu werden, nachdem aus beiden Parteien Kritik laut geworden war, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sich angesichts der bevorstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu viel Zeit für die Finanzzusagen der Bundesrepublik gelassen habe. "Der besonnene Kurs von Angela Merkel war alternativlos. Vorschnelle Zusagen hätten die strikte Verhandlungsposition der Europäer aufgeweicht", sagte Gröhe gestern in Berlin. Und fügte eine Warnung an: "Die Zeit ist zu ernst für parteipolitische Spielchen! Wenn eine nationale Herausforderung gemeistert werden muss, gilt es zusammenzurücken."
Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und Finanzexperte Joachim Poß wollte diesen Vorwurf nicht auf seiner Partei sitzen lassen. "Die SPD hat in ihrer Geschichte immer Verantwortung für den Staat getragen. Gröhes Unterstellung ist ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver", sagte er dem Hamburger Abendblatt. "Die gegen Merkel erhobenen Vorwürfe sind keine Erfindung der Oppositionsparteien, sondern spiegeln nur das wider, was alle internationalen Spitzenakteure denken. Die Verzögerungsstrategie der Bundeskanzlerin hat eine zeitgerechte und preiswertere Lösung verhindert." Tatsächlich waren die Zinsen für griechische Staatsanleihen noch einmal angestiegen, während die Bundesregierung auf zusätzliche Sparanstrengungen der Griechen gepocht hatte.
Athen kündigte unterdessen an, die sozial Schwächsten der Gesellschaft vor dem jetzt beschlossenen rigiden Sparkurs in Schutz nehmen zu wollen. Für sie solle ein Sicherungsnetz gespannt werden, sagte Ministerpräsident Giorgos Papandreou, als er den Sparplan vorstellte, der ihm von den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) diktiert worden ist. Griechenland steht damit faktisch unter der Kuratel seiner Gläubiger. Das oberste Anliegen seiner Regierung sei es, eine "gerechte Gesellschaft" zu schaffen, sagte Papandreou. Athen hatte sich am Wochenende allerdings damit einverstanden erklärt, im Gegenzug für die Finanzhilfen in einem ersten Schritt rund 30 Milliarden Euro einzusparen. Dazu sollen Renten und Gehälter im öffentlichen Dienst gekürzt werden. Zudem ist eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 21 auf 23 Prozent geplant.
Das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland soll bis zum Jahr 2012 Kredite von bis zu 110 Milliarden Euro erhalten. Auf die Euro-Staaten sollen davon 80 Milliarden Euro entfallen, auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) 30 Milliarden. Deutschland will sich allein in diesem Jahr mit 8,4 Milliarden Euro am Rettungspaket beteiligen. Das Geld soll von der Staatsbank KfW kommen, der Bund garantiert für die Kredite. Angela Merkel sprach nach der Kabinettssitzung von einer Entscheidung mit enormer Tragweite. Auch die Deutschen profitierten: "Eine stabile europäische Währung ist ein außerordentlich hohes Gut." Nun müsse der Euro-Stabilitätspakt so überarbeitet werden, "dass man ihn nicht unterlaufen kann und er strikt eingehalten wird". Nach den Koalitionsplänen soll das deutsche Gesetz für die Bürgschaft des Bundes im Eilverfahren schon in dieser Woche unter Dach und Fach gebracht werden. Am Freitag sollen Bundestag und Bundesrat zustimmen.
Aber die Oppositionsfraktionen im Bundestag wollen sich ihre Zustimmung zum milliardenschweren Hilfspaket bis zum Schluss offenhalten. Das machten führende Vertreter von SPD, Grünen und Linkspartei nach einem Gespräch mit der Kanzlerin und Vizekanzler Guido Westerwelle deutlich. "Wir sind nicht beieinander, weil die Bundesregierung nicht hat erkennen lassen, wie weit sie sich bewegen wird bis zur Schlussabstimmung im Deutschen Bundestag", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Die Bevölkerung erwarte, dass sich die Banken an dem entstandenen Schaden beteiligten und Vorsorge getroffen werde, dass sich eine solche Krise nicht wiederhole. "Wir können uns nicht vorstellen, an einer Entscheidung mitzuwirken, in der nur über eine nackte Ermächtigung der Bundesregierung entschieden wird", sagte Steinmeier.
DEMONSTRANTEN STÜRMEN DIE GRIECHISCHE "TAGESSCHAU"
CDU-Generalsekretär Gröhe erinnerte daran, dass Rot-Grün die Entscheidung über den Beitritt Griechenlands zum Euro-Verbund im Jahr 2000 zu verantworten habe. "Damals schlugen SPD und Grüne die eindringliche Warnung der Union fahrlässig in den Wind und stimmten überstürzt der Aufnahme Griechenlands zu. Diese rot-grüne Schluderei holt uns jetzt ein."