CDU-Regierungschef Jürgen Rüttgers hat die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verloren. Wer aber künftig regieren wird, ist unklar.
Düsseldorf. Die Wähler in Nordrhein-Westfalen haben die schwarz-gelbe Koalition von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) klar abgewählt. Das war am spannendsten Wahlabend seit langem zunächst die einzige Gewissheit. Denn wen die Wähler stattdessen in der Regierung sehen wollen, haben sie bei weitem nicht so eindeutig gesagt. Für die erklärten Wunschpartner von SPD und Grünen wurde der Abend ebenso zur Zitterpartie wie für Rüttgers und die CDU. Die Linkspartei konnte sich Hoffnungen auf die erste Regierungsbeteiligung in Westdeutschland machen. Nur für die FDP, die ihr Ergebnis von 2005 in etwa wiederholen konnte, war schnell alles klar. Die Liberalen sind heraus aus dem politischen Spiel in Nordrhein-Westfalen.
Rüttgers („Auch für mich persönlich ein ganz bitterer Abend“) konnte trotz der schweren Niederlage zunächst hoffen, sich in eine große Koalition zu retten. Der CDU-Vize wäre wohl dazu bereit. Es sei „wichtig und richtig, dass Nordrhein-Westfalen weiter stabil regiert wird. Das kann nicht zusammen mit extremistischen Parteien geschehen“, sagte er zu einem Zeitpunkt, als die CDU mit der SPD gleichauf in den Hochrechnungen lag. Rüttgers muss das schlechteste Ergebnis der CDU bei einer NRW-Landtagswahl überhaupt vertreten.
SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft konnte trotz erneuter Verluste jubeln. Sie ließ weiter die Frage offen, die sie auch im Wahlkampf nicht beantwortet hatte. „Ich mache hier keine Koalitionsspekulationen“, antwortete sie auf die Frage, ob sie notfalls mit Hilfe der Linken Ministerpräsidentin werden will. Weil die Hochrechnungen gerade eine denkbar knappe Ein-Sitz-Mehrheit für SPD und Grüne voraussagten, verlegte sich die 48-Jährige aufs Daumendrücken. Die Grünen spielten den Koalitionsball schnell in das Feld der SPD. „Die SPD muss entscheiden, ob sie mit der Linken reden will“, sagte Landeschefin Daniel Schneckenburger. Die Grünen seien bereit, die Regierungsfähigkeit der Linkspartei zu testen. Eine rechnerisch mögliche schwarz-grüne Koalition ist für die Grünen kein Thema. „Natürlich wollen wir mit der SPD regieren“, sagte Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann.
Ein mögliches rot-grünes Comeback soll nach dem Willen beider Seiten ganz anders verlaufen als die erste Auflage zwischen 1995 und 2005, als sich SPD und Grünen permanent öffentlich stritten. Anders als die Ex-SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement und Peer Steinbrück hat sich Kraft stets um die Grünen bemüht. Als die NRW- Grünen vor einigen Wochen ihr 30-jähriges Bestehen feierten, brachte sie ein Säckchen voll Sägespänen mit. Das seien die Reste der geschredderten Dachlatte, mit der einst der hessische Ministerpräsident Holger Börner (SPD) die Grünen von der Macht fernhalten wollte, juxte Kraft und versprach einen pfleglicheren Umgang.
Auch die Grünen sehen eine Koalition mit der SPD inzwischen gelassener. Anders als 1995, als das erste rot-grüne Bündnis in NRW unter Johannes Rau geschmiedet wurde, hätten SPD und Grüne diesmal mit der Reform des Schulsystems ein gemeinsames Projekt. Reichlich Konfliktstoff gäbe es trotzdem. So liegen SPD und Grüne in der Energiepolitik ähnlich weit auseinander wie zu Zeiten des Streits um den Braunkohlentagebau Garzweiler II.