Schwarz-Gelb ist abgewählt. Aber das ist auch schon die einzige Gewissheit nach der Wahl in NRW. Wer mit wem regieren wird, ist noch offen.
Düsseldorf.
Die CDU/FDP-Regierung von Nordrhein- Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist nach nur fünf Jahren abgewählt.
SPD und Grüne mussten nach der Landtagswahl laut vorläufigem amtlichen Endergebnis vom frühen Montagmorgen aber ihre Hoffnungen auf eine gemeinsame Mehrheit begraben und eine Beteiligung der Linkspartei in Betracht ziehen. Die Wahl brachte ein Patt – CDU und SPD gleichauf, damit auch Rot-Grün und Schwarz-Grün, aber beiden Kombinationen fehlte genau ein Mandat zur Mehrheit. Nun könnte es in Düsseldorf auch auf eine große Koalition hinauslaufen.
Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird das Regieren jedenfalls schwieriger. Die CDU erlitt bei der Wahl im bevölkerungsreichsten Bundesland ein Debakel und lag am Ende nur um 6200 Stimmen oder einen zehntel Prozentpunkt vor der SPD von Hannelore Kraft. Die Grünen sind der eigentliche Wahlsieger, die Linke zieht erstmals in den Düsseldorfer Landtag ein, der FDP-Höhenflug ist beendet.
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Eine nach den Zahlen ebenfalls mögliche Ampelkoalition hatten Grüne und FDP von vornherein abgelehnt. Durch den Verlust der Landesregierung in NRW haben Union und FDP im Bundesrat ihre Mehrheit eingebüßt (bisher 37 von 69 Stimmen - künftig 31). Die Kanzlerin ist nun stärker auf Kompromisse mit SPD und möglicherweise auch Grünen angewiesen – auch wegen der dramatischen Euro-Krise, in der der Ausfall von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Merkel vor zusätzliche Probleme stellt. Sie braucht eine Mehrheit in der Länderkammer für ihre Großprojekte: Haushaltssanierung, Steuerentlastung, Gesundheitsreform, Bildungsoffensive. Zudem könnte ein angeschlagener Koalitionspartner FDP auf Profilsuche ihr das Regieren erschweren.
Wegen der Bedeutung Nordrhein-Westfalens galt das Votum als „kleine Bundestagswahl“ und als erster großer Stimmungstest für die im Herbst gewählte schwarz-gelbe Regierung in Berlin. Der Landtagswahlkampf stand auch im Zeichen der Steuerdebatte, in der Schlussphase dominierte die Griechenland-Krise. CDU und FDP fürchteten den Unmut der Wähler wegen der Milliardenkredite für Athen. Hinzu kamen der negative Eindruck zahlreicher Affären der NRW- CDU und der Dauerstreit zwischen Union und FDP auf Bundesebene. Im Land wehte der CDU wegen ihrer Schulpolitik der Wind ins Gesicht.
Nach dem vorläufigem amtlichen Endergebnis stürzt die CDU mit 34,6 Prozent auf ihr schlechtestes NRW-Ergebnis, ein Minus von 10,3 Punkten. Die SPD mit ihrer Landeschefin Kraft erreicht 34,5 Prozent, ein Verlust von 2,6 Punkten. Die in Düsseldorf bisher mitregierende FDP von Andreas Pinkwart liegt mit 6,7 Prozent knapp über ihrem mäßigen Abschneiden von 2005 (6,2), aber deutlich unter dem NRW- Ergebnis bei der Bundestagswahl im Herbst (14,9). Die Grünen um Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann verdoppeln sich nahezu auf 12,1 Prozent (plus 5,9), ihr bestes Ergebnis im Land. Die erstmals angetretene Linkspartei schafft mit 5,6 Prozent den Einzug ins Parlament (Vorläuferparteien PDS und WASG 2005 zusammen 3,1 Prozent).
Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung im Düsseldorfer Landtag: CDU 67 Mandate (2005: 89), SPD 67 (74), FDP 13 (12), Grüne 23 (12), Linke 11 (0). Die Wahlbeteiligung war mit 59,1 Prozent extrem niedrig (2005: 63,0).
SPD-Video vom Wahlabend:
Kraft meldet Anspruch auf Regierung an Kraft meldete am Abend umgehend ihren Anspruch auf das Ministerpräsidenten-Amt an. Sie sagte vor jubelnden Anhängern in Düsseldorf: „Drückt die Daumen: Stärkste Partei und rot-grün regieren - das ist das, was wir für Nordrhein-Westfalen wollen.“ Die SPD- Politikerin sagte weiter: „Eine Botschaft geht von Nordrhein- Westfalen hinaus ins ganze Land: Die SPD ist wieder da.“ Kraft hielt auch am späten Abend ungeachtet des knappen Wahlausgangs Distanz zur Linkspartei. Die bisherige Sprachregelung im Verhältnis zur Linken gelte weiter. „Wir halten sie nicht für regierungs- und koalitionsfähig“, sagte Kraft in der ARD.
Aus Sicht von Rüttgers war es „für die CDU in Nordrhein-Westfalen, auch für mich ganz persönlich ein bitterer Abend“. Er betonte: „Eins ist klar: Ich persönlich trage die Verantwortung, die politische Verantwortung für dieses Ergebnis.“ Die nordrhein-westfälische CDU stellte sich hinter ihren Landesvorsitzenden. Der geschäftsführende Vorstand bat Rüttgers, „die Führung weiter wahrzunehmen“.
SPD-Chef Sigmar Gabriel erwartet die Regierungsübernahme seiner Partei in Nordrhein-Westfalen. „Das System Rüttgers ist abgewählt worden“, sagte er in Berlin. „Es wird Anstand wieder in die Staatskanzlei einziehen, wenn Rüttgers ausgezogen ist.“ Das Debakel hat nach Einschätzung von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe auch bundespolitische Gründe. Er sprach von einem „ganzen Bündel von Ursachen“. „Auch der holprige Start der christlich-liberalen Koalition, zu viel Streit auf offener Bühne hat dazu beigetragen.“ Der FDP-Bundesvorsitzende Guido Westerwelle räumte ein: „Wir haben unsere Wahlziele nicht erreicht.“ Er sprach von einem „Warnschuss“ auch für die Regierungsparteien in Berlin. „Er ist auch gehört worden.“ Für eine Führungsdebatte sah er keinen Grund. Die FDP stehe nun „genau so zusammen, wie sie sich auch über Wahlerfolge freut“. Die Grünen in Nordrhein-Westfalen zeigten sich offen für eine rot- rot-grüne Regierung. „Wir sind gesprächsbereit. Die SPD muss klären, ob sie mit der Linkspartei reden wird“, sagte Spitzenkandidatin Löhrmann. Ihre Partei stehe zur Verfügung, wenn sich ein „grünes Zukunftsprogramm“ umsetzen lasse.
Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen entschieden die Wähler weniger nach bundes- als nach landespolitischen Kriterien. So verlor die CDU in der Schulpolitik – einem für 78 Prozent relevanten Thema – ihren Kompetenzvorsprung an die SPD. Besonders ungewöhnlich: Rüttgers hatte keinen Amtsbonus und lag im Ansehen hinter Kraft. Er habe ein „auffälliges Glaubwürdigkeitsdefizit“, resümierten die Forscher. Zwar gab es in dem Land auch Unzufriedenheit mit der schwarz-gelben Bundesregierung, einen Denkzettel in Richtung Berlin wollten deshalb aber nur 15 Prozent erteilen. Grundsätzlich sei für 41 Prozent die Politik im Bund, aber für 55 Prozent die Politik in NRW wichtiger gewesen.
Die nächste Landtagswahl ist erst wieder im März 2011 in Sachsen- Anhalt, wenig später folgen Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.
CDU-Video vom Wahlabend: