Widerstand gab es zunächst kaum. Die Taliban sammeln sich für den Guerillakrieg. US-Soldat entführt.
Hamburg/Kabul. Es war die größte Landeoperation von Militärhubschraubern seit dem Vietnam-Krieg: Rund 4000 US-Marines, verstärkt durch etwa 650 afghanische Soldaten, landeten in der afghanischen Provinz Helmand und starteten die Großoffensive "Operation Chandschar". Beteiligt sind auch 50 Kampfflugzeuge. Die Soldaten haben zudem speziell trainierte Sprengstoff-Spürhunde dabei, die sie vor den berüchtigten "IEDs", den improvisierten Sprengfallen, warnen sollen. Die Taliban nehmen den Bauern den vom Westen gesponserten Dünger weg und fertigen daraus Sprengstoff. "Chandschar", der "Schwertstreich", soll die Radikalislamisten aus ihrer Hochburg vertreiben. In früheren Offensiven der Nato war dies nicht gelungen. "Dieser Einsatz unterscheidet sich von früheren durch das Tempo des Vormarsches und die massive Truppenstärke", sagte US-Brigadegeneral Larry Nicholson, Kommandeur der 2. Marines-Brigade und fügte hinzu: "Wir gehen dorthin, und wir werden dort bleiben." Ziel der neuen Strategie ist es, Stützpunkte zu errichten und die Provinz von dort aus zu beherrschen. Nicholson fügte hinzu, es sei "ein großer, riskanter Plan".
"Operation Chandschar" ist der größte Militäreinsatz in der bisherigen Amtszeit von US-Präsident Barack Obama - zwei Monate vor der Präsidentenwahl in Afghanistan. Obama will den Schwerpunkt der amerikanischen Anstrengungen vom Irak auf Afghanistan umlenken.
Die Aufständischen zogen sich angesichts der militärischen Übermacht weitgehend zurück; zu größeren Gefechten kam es nicht. Die Marines drangen entlang des Helmand-Flusses in Gebiete vor, die bislang von den Taliban gehalten wurden.
"Die Amerikaner haben eben im Irak gute Erfahrungen gemacht mit der ,Operation Search', die von General David Petraeus geplant worden war. Darin wollen sie nun in Afghanistan anknüpfen", sagte Professor Dr. Henner Fürtig, zuständig für den Mittleren Osten beim Hamburger GIGA-Institut für Nahost-Studien, zum Abendblatt. "Zudem muss Barack Obama als neuer Präsident auch auf internationaler Ebene aufpassen, dass er nicht als 'weich' wahrgenommen wird, sondern dass er bereit ist, auch harte militärische Konsequenzen zu ziehen, um seine politischen Ziele zu erreichen. Das spielt im Hintergrund eine große Rolle." Fürtig glaubt nicht, dass nun auch die Bundeswehr im Zuge dieser Offensive im Süden Afghanistans gefordert ist: "Das hätte das Gespräch zwischen Angela Merkel und Obama schon ergeben. Im Übrigen wissen die Amerikaner, dass sich die Situation für die Deutschen im Norden Afghanistans deutlich verschlechtert hat."
Petraeus, früher Kommandeur der US-Truppen im Irak und nun Befehlshaber aller amerikanischen Truppen im Nahen und Mittleren Osten, hat eingeräumt, dass die Zahl der Taliban-Angriffe mit mehr als 400 Attacken allein in der ersten Juni-Woche einen absoluten Rekordstand erreicht habe. Der US-General hat "harte Monate" angekündigt.
Indessen bekannte sich in der ostafghanischen Provinz Paktika die ultraradikale Taliban-Gruppe Hakkani zur Entführung eines amerikanischen Soldaten. Ein Taliban-Kommandeur berichtete telefonisch, der Soldat sei in der Nähe eines US-Stützpunktes umzingelt und gefasst worden.