Vor zehn Jahren hat der Krieg in Afghanistan begonnen. General McChrytal kritisiert: “USA hatten eine erschreckend vereinfachende Sicht“.

Hamburg. Der zehnte Jahrestag des Beginns des Krieges in Afghanistan wird in den USA ohne größere Feierlichkeiten begangen. Das Weiße Haus plante keine Zeremonien und auch US-Präsident Barack Obama wollte am Freitag nicht öffentlich auf den Jahrestag eingehen. Ein ehemaliger US-Kommandeur ging jedoch mit seinem Land und dessen Einsatz in Afghanistan hart ins Gericht.

Die USA hätten den Krieg in Afghanistan mit einer „erschreckend vereinfachenden“ Sicht auf das Land begonnen, sagte der pensionierte General Stanley McChrystal am Donnerstag. Und auch nach zehn Jahren fehle ihnen noch das Wissen, um den Konflikt zu einem erfolgreichen Ende zu führen. „Wir wussten nicht genug und wissen immer noch nicht genug“, sagte McChrystal beim Rat für Auswärtige Beziehungen in Washington.

McChrystal, der die Koalitionstruppen von 2009 bis 2010 befehligt hatte, musste nach einem Skandal um einen Zeitschriftenartikel seinen Posten abgeben. Die USA und ihre Verbündeten hätten bisher nur knapp über 50 Prozent des Weges zu ihren Zielen absolviert, sagte McChrystal weiter. Die wichtigste Aufgabe sei die Installierung einer legitimen Regierung, der die Afghanen vertrauen könnten.

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+++ Auf dem Friedhof der Großmächte +++

Der Krieg in Afghanistan ist der längste der USA seit Vietnam. Obama sprach sogar vom „längsten Krieg in der amerikanischen Geschichte“. Der Krieg begann am 7. Oktober 2001, als die USA und Großbritannien die afghanische Hauptstadt Kabul aus der Luft angriffen. Die USA erklärten damals, die Al-Kaida in Afghanistan sei für die Terroranschläge vom 11. September 2001 verantwortlich. Eine Auslieferung der Verdächtigen hatten die Taliban abgelehnt.

Afghanistan-Beauftragter: Abzugstermin 2014 endgültig

Deutschland wird nach Angaben der Bundesregierung auf jeden Fall bis Ende 2014 alle Bundeswehr-Kampftruppen aus Afghanistan abziehen. „Der Abzug wird bis Ende 2014 abgeschlossen sein“, sagte der deutsche Afghanistan-Beauftragte Michael Steiner in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Auf einen genauen Termin, wann die ersten von derzeit noch 5000 Bundeswehr-Soldaten Afghanistan verlassen, legte sich Steiner weiterhin nicht fest. Der Diplomat versprach jedoch, dass es bis zum Ende dieses Jahres „Klarheit“ geben werde. Eigentlich hat sich die Regierung zum Ziel gesetzt, dass der Abzug noch 2011 beginnt - allerdings nur mit dem Zusatz „soweit es die Lage erlaubt“.

Im Unterschied dazu nannte der Afghanistan-Beauftragte 2014 jedoch als endgültigen Termin. „Ende 2014 wird es in Afghanistan keine internationalen Kampftruppen der ISAF mehr geben. Und damit auch keine Kampftruppen der Bundeswehr mehr.“ Der Einsatz hatte am 7. Oktober 2001 begonnen. Derzeit sind noch etwa 140 000 ausländische Soldaten in Afghanistan stationiert.

Steiner ließ auch offen, mit wie vielen deutschen Soldaten der Abzug beginnt. „Ich hielte es für vollkommen falsch, zwei Monate vor der Entscheidung mit Zahlen zu hantieren. Damit würden wir unsere politische Seriosität infrage stellen.“ Im Gespräch ist derzeit eine Reduzierung um etwa 500 Soldaten. Die SPD-Opposition bezeichnete jede Zahl unter 500 in dieser Woche als „erklärungsbedürftig“.

Der Afghanistan-Beauftragte machte zugleich das Interesse der Regierung deutlich, auch bei weiteren Afghanistan-Beschlüssen im Bundestag eine breite Mehrheit zustande zubringen. „Wir haben diesen Einsatz gemeinsam begonnen. Und wir haben ein staatspolitisches Interesse daran, diesen Einsatz auch gemeinsam zu Ende zu bringen.“ Steiner ist seit April 2010 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan.

Insgesamt zog der frühere Italien-Botschafter eine ernüchternde Bilanz. „Wir haben auch Fehler gemacht in den letzten zehn Jahren: Wir haben uns Dinge vorgenommen, die nicht realistisch waren. Wenn man etwas von außen verändern will, muss man sich bescheidene Ziele setzen. Das haben wir anfangs nicht beherzigt.“ Inzwischen gebe es jedoch eine „realistische Zielsetzung“. „Was wir wollen, ist hinreichende Stabilität und fundamentale Menschenrechte.“ Eine „Erfolgsgarantie“ gebe es jedoch nicht.

Zehn Jahre nach der ersten „Petersberg-Konferenz“ soll es am 5. Dezember in Bonn ein weiteres internationales Afghanistan-Treffen geben. Steiner formulierte die Erwartungen so: „Die zentrale Botschaft muss sein, dass Afghanistan auch nach dem Abzug der letzten internationalen Kampftruppen 2014 nicht alleingelassen wird. Wir bleiben engagiert – anders, ziviler, politischer. Aber wir bleiben.“

Auf die Frage, ob auch Vertreter der Taliban-Milizen in Bonn dabei sein werden, sagte Steiner: „Die afghanische Regierung wird mit einer starken Delegation in Bonn dabei sein. Wir wünschen uns, dass möglichst alle Kräfte Afghanistans sich repräsentiert fühlen, auch die parlamentarische Opposition. Aber die Zusammensetzung der Delegation ist eine Frage, die die afghanische Regierung zu entscheiden hat.“

(abendblatt.de/dapd/dpa)