Streitkräfte-Reform sei eine “noch nie da gewesene Belastung“ für die Truppe
Berlin. Die derzeit laufende Bundeswehrreform stellt die Soldaten nach Einschätzung des Bundeswehrverbandes vor eine noch nie da gewesene Belastungsprobe. Der Verbandsvorsitzende Ulrich Kirsch warnte gestern in Berlin vor einer Überlastung der Soldaten. Es gebe keine verlässlichen Strukturen mehr, nach denen die Männer und Frauen planen könnten. Als Folge seien die Soldaten und ihre Familien frustriert, unruhig und angespannt. "Insgesamt führt dies zu Motivationsverlust und senkt die Effektivität - klassische Symptome eines Burn-outs", erklärte Kirsch. Die Bundeswehr habe seit 1990 bereits sechs Reformen erlebt. Aus jeder Reform gebe es noch heute "Altlasten" abzuarbeiten.
Zum 1. Juli war der Wehrdienst ausgesetzt und die Bundeswehr zu einer Freiwilligenarmee geworden. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) will die Truppe von derzeit etwa 220 000 auf 175 000 bis 185 000 Soldaten verkleinern. Die Entscheidung darüber, welche Standorte geschlossen werden, soll vom Bundesverteidigungsministerium am 26. Oktober veröffentlicht werden.
Kirsch mahnte, die Bundeswehr müsse auch weiterhin in der Fläche vertreten sein. "Wenn wir aus der Fläche verschwinden, verschwinden wir aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit und der Gesellschaft", sagte er. Damit die Soldaten die geplante Umstrukturierung als Chance erleben könnten, müssten bereits jetzt Signale an sie gesendet werden und nicht erst nach der Feinausplanung der Reform.
Kirsch forderte, den Dienst attraktiver zu machen und den Sold für Überstunden von derzeit 2,50 Euro pro Stunde zu verdoppeln. Polizisten bekämen im Vergleich zu Soldaten das Dreifache für mehrgeleistete Arbeit. Auch müssten die Soldaten trotz der Reform die Perspektive behalten, innerhalb ihrer Laufbahn aufzusteigen. Darüber hinaus müsse es dauerhaft und nicht nur bis 2014 ein Wahlrecht zwischen einer Umzugskostenvergütung und einem Trennungsgeld geben. "Es darf keine Reformverlierer geben", mahnte der Vorsitzende.
Kirsch kritisierte, dass die Zahl der Soldaten zwar massiv abgebaut werde, die Aufgaben aber dieselben blieben. Er regte eine stärkere Kooperation mit europäischen Partnern an, um die Verantwortung für bestimmte Aufgaben untereinander besser zu verteilen. So hätten die deutschen Streitkräfte etwa besondere Fähigkeiten mit ihren Gebirgs- und den Fallschirmjägern.
Zahlen darüber, wie viele Soldaten an einem Burn-out leiden, nannte Kirsch nicht. Es handele sich um eine "Grauzone", sagte er. Insgesamt sei aber klar: "Die Menschen in den Streitkräften wollen sich wieder auf die Politik verlassen können."