Russlands starker Mann kehrt 2012 aller Voraussicht nach in den Kreml zurück. Präsident Medwedew schlug den Regierungschef als Nachfolger vor.
Moskau. Nach vierjähriger Karenzzeit strebt Russlands starker Mann Wladimir Putin in den Kreml zurück. Putin meldete am Wochenende seine Kandidatur für das Amt des Präsidenten an, das er bereits von 2000 bis 2008 bekleidet hatte. Der jetzige Staatschef Dmitri Medwedew soll ihm im Amt des Ministerpräsidenten folgen und Spitzenkandidat der Partei Einiges Russland bei der Parlamentswahl im Dezember werden. Für einen Wermutstropfen sorgte der international hoch angesehene Finanzminister Alexej Kudrin. Er wird wegen unüberbrückbarer Differenzen mit Medwedew der neuen Regierung nicht mehr angehören.
„Das ist eine große Ehre für mich“, kommentierte Putin vor den Parteitagsdelegierten von Einiges Russland Medwedews Vorschlag, ihn für die Präsidentenwahl im März 2012 aufzustellen. Medwedew und er hätten schon vor geraumer Zeit entschieden, wer in Zukunft welches Amt besetzen solle. Obwohl er protokollarisch hinter dem Präsidenten rangiert, gilt Putin als stärkste politische Figur in Russland und genießt in der Bevölkerung höchste Popularitätswerte. Seine Wiederwahl gilt als sicher. Mögliche Gegenkandidaten wie der Ultranationalist Wladimir Tschirinowsky oder Kommunistenchef Gennady Sjuganow dürften ebenso chancenlos sein wie Vertreter der liberalen Opposition.
Sollte Putin kommenden März für sechs Jahre gewählt werden und 2018 die Wiederwahl schaffen, könnte er die Geschicke des flächenmäßig größten Landes der Erde bis 2024 lenken. Der im Oktober 59 Jahre alt werdende frühere KGB-Mitarbeiter, der von 1985 bis 1989 als Spion in Dresden stationiert war und der fließend deutsch spricht, durfte 2008 nach zwei Amtsperioden nicht wieder für das Präsidentenamt kandidieren.
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Seine Anhänger halten Putin den Wiederaufstieg Russlands nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Chaos der Ära seines Vorgängers Boris Jelzin zugute. Dank kräftiger Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport expandierte die russische Wirtschaft, wovon auch die breite Masse profitierte. Seine Kritiker werfen ihm dagegen vor, die Abhängigkeit vom Öl- und Gasgeschäft nicht überwunden und die Wirtschaft zentralisiert zu haben. Außerdem habe Putin als Staats- und als Regierungschef die nach dem Ende der UdSSR gewonnenen Bürgerfreiheiten zurückgenommen und Russland ein autoritäres System übergestülpt.
Gegen den Vorwurf, die Abhängigkeit vom Öl und Gas nicht beseitigt zu haben, nahm der scheidende Finanzminister Kudrin Putin in Schutz. Putin nehme die Probleme des Landes sehr ernst und reagiere darauf, sagte Kudrin, der selbst mit dem Amt des Ministerpräsidenten geliebäugelt hatte. Seinen Verzicht auf das Amt des Finanzministers begründete er mit tiefgreifenden Differenzen mit Medwedew.
Medwedew verfolgte als Präsident einen eher gemäßigten Kurs und hob in seinen Reden unter anderem auf eine Stärkung rechtsstaatlicher Garantien ab. Das nährte Spekulationen über einen Machtkampf mit Putin.
Im Westen fielen die Reaktionen auf die Kandidatur Putins zurückhaltend aus. Zu den USA werde es unter einem Präsidenten Putin zwar geschäftsmäßige, aber keine herzlichen Beziehungen geben, sagte der Russland-Experte James Goldberger von der American University in Washington. „Ein Signal der Ermutigung für umfangreiche gesellschaftliche Reformen ist das nicht“, sagte der Regierungs-Koordinator für die deutsch-russischen Beziehungen, Andreas Schockenhoff (CDU) Reuters.
„Dies zeigt, dass Russland noch ein gutes Stück von offenen, demokratischen Wettbewerben um das Präsidentenamt entfernt ist“, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz, Reuters. Zugleich betonte er, dass er bei einer Wahl Putins keine Richtungsänderung der russischen Politik erwarten sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe den Vorschlag zur Kenntnis genommen, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Die Bundeskanzlerin hat mit Präsident Dmitri Medwedew sehr gut zusammengearbeitet und wird das auch mit jedem anderen Präsidenten tun, denn Deutschland und Russland verbindet eine strategische Partnerschaft.“ Abgesehen davon sei die Präsidentenwahl eine nationale russische Entscheidung. (rtr/abendblatt.de)