Weltweiter Druck auf das Regime wächst. Der Machthaber geht dennoch weiter mit Panzern gegen Demonstranten vor. Ende ist nicht in Sicht.
Damaskus/Kairo. Die Welt protestiert – und Präsident Baschar al-Assad lässt weiter schießen. Die Golfstaaten, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Papst Benedikt XVI. forderten am Wochenende ebenso ein unverzügliches Ende des Blutvergießens in Syrien wie Bundesaußenminister Guido Westerwelle und der syrischstämmige Poet Adonis. Das Regime ging dessen ungeachtet mit unverminderter Härte gegen die Protesthochburgen im Lande vor. 90 Menschen mussten deshalb seit Freitag sterben. Ban drang nach mehreren Anläufen erstmals telefonisch zu Assad durch.
In die nordöstliche Stadt Deir al-Zor rückten am Sonntagmorgen 200 Panzer ein. Sie hätten aus vollen Rohren gefeuert, berichteten syrische Menschenrechtsaktivisten. Mindestens 50 Bürger seien in dem Granatbeschuss umgekommen. Auf Videos, die Aktivisten ins Internet stellten, waren dicke Rauchwolken über Deir al-Zor zu sehen und das andauernde Geräusch von Schüssen zu hören.
16 Menschen, unter ihnen ein Kind, wurden am selben Tag in Al-Hula bei Homs getötet, teilten syrische Oppositionelle mit. Wegen des Granatbeschusses könnten von dort Verletzte nicht in Krankenhäuser gebracht werden. Mindestens 24 Zivilisten sollen schon am Freitag gestorben sein, als Armee-Verbände in den Vorstädten von Damaskus und in anderen Orten erneut mit scharfer Munition auf Demonstranten schossen. Das wurde am Sonnabend bekannt.
In Syrien demonstrieren Teile der Bevölkerung seit Mitte März für politische Reformen und das Ende des Assad-Regimes. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten töteten die syrischen Sicherheitskräfte bei der Unterdrückung der Proteste fast 2000 Menschen. Tausende wurden verletzt. Auch rund 400 Angehörige der Sicherheitskräfte kamen bei Zusammenstößen ums Leben.
UN-Generalsekretär Ban und der Papst forderten in ähnlich lautenden Botschaften vom syrischen Regime ein Ende des brutalen Vorgehens gegen die eigene Bevölkerung. „Ich verfolge mit großer Besorgnis die dramatische und zunehmende Gewalt in Syrien, die zahllose Opfer gefordert und so viel Leid verursacht hat“, erklärte der Pontifex am Sonntag während des Angelusgebets in seiner Sommerresidenz Castel Gandolfo bei Rom.
Ban konnte sich erstmals direkt an den syrischen Machthaber Assad wenden. In einem Telefonat, das nach mehreren Anläufen zustande kam, forderte er ihn auf, das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte umgehend zu stoppen, wie aus einer am Sonnabendabend (Ortszeit) verbreiteten Mitteilung der Vereinten Nationen in New York hervorging. Assad wiederum habe auf die vielen Toten unter den Sicherheitskräften verwiesen. Zuletzt hatte Assad den UN-Generalsekretär Mitte Juni abblitzen lassen, als Ban ihn ans Telefon zu bekommen versuchte.
Die Golfstaaten riefen das arabische Bruderland Syrien dringend zu Reformen auf. Das Blutvergießen müsse enden und die Bestrebungen der Bürger müssten anerkannt werden, verlangte der Golf-Kooperationsrat (GCC) am Sonnabend in Riad. In der Organisation sind Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Katar, Kuwait und Oman zusammengeschlossen.
Der weltweit gefeierte arabische Dichter Adonis verlangte in einem Interview den Rücktritt Assads. „Er muss etwas tun. Das mindeste, was er tun kann, ist, dass er seinen Posten räumt“, sagte der aus Syrien stammende Träger des diesjährigen Goethe-Preises der Stadt Frankfurt der kuwaitischen Tageszeitung „Al-Rai“ (Sonnabend).
Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“: „Die massive Anwendung von Gewalt zeigt, dass das Regime für seinen Machterhalt vor nichts zurückschreckt.“ Assad habe keine Zukunft.
In Damaskus führten Männer in Zivil in der Nacht zum Sonntag den Oppositionsführer und Arzt Walid al-Bunni ab. Er sei zusammen mit seinen beiden Söhnen an einen unbekannten Ort verschleppt worden, teilten syrische Aktivisten im Libanon mit. Al-Bunni saß wegen seines Einsatzes für Menschenrechte schon mehrfach im Gefängnis.
Syriens Außenminister Walid al-Muallim kündigte unterdessen Wahlen für ein neues Parlament noch in diesem Jahr an. Diese würden „frei und fair“ sein, zitierte ihn die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Zwar setzte Assad jüngst neue Parteien- und Wahlgesetze in Kraft. Doch diese ändern nach Ansicht von Beobachtern kaum etwas am System, das einen Regierungswechsel durch das Wählervotum weiterhin unmöglich macht. (dpa)