Auch Anatoli Adamtschuk recherchierte über Umweltsünden beim Autobahnbau. Der überfallene Oleg Kaschin liegt weiter im Koma.
Moskau. Nach dem brutalen Angriff auf den prominenten Reporter Oleg Kaschin ist in Russland erneut ein Journalist zusammengeschlagen worden. Anatoli Adamtschuk sei in der Nacht zum Montag attackiert worden und habe ein Schädeltrauma und eine Gehirnerschütterung erlitten, berichtete der Radiosender Moskauer Echo. In einem eindringlichen Appell forderten russische Journalisten Präsident Dmitri Medwedew zum Schutz der Medien auf.
Der sagte am Montag erstmals einen besseren Schutz für Reporter zu. Wegen der herausragenden gesellschaftlichen Bedeutung ihrer Arbeit müssten Journalisten besser geschützt werden als andere Berufe, sagte Medwedew nach Angaben der Agentur Interfax. Dafür müsse der Staat Sorge tragen, betonte der Kremlchef bei einem Treffen mit Journalisten der Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“.
Zwei Unbekannte hätten Adamtschuk in einem Vorort von Moskau aufgelauert, sagte sein Kollege Sergej Grammatin dem Radiosender. Der Journalist der Zeitung „Schukowski Westi“ hatte mehrere kritische Artikel über den Bau einer Autobahn zu einem Flughafen bei Moskau geschrieben, auf dem die bekannte Luftfahrtmesse Maks stattfindet. Für die Schnellstraße soll ein Wald teilweise abgeholzt werden. Berichten der Nachrichtenagentur Itar-Tass zufolge bestätigte ein Sicherheitsvertreter den Angriff, nannte aber keine Details.
Der am Sonnabend vor seinem Haus in Moskau mit Baseballschlägern überfallene Kaschin lag unterdessen weiter im künstlichen Koma , in der Nacht zum Montag wurde er erneut operiert. Seinen Zustand beschrieben die Ärzte als „ernst, aber stabil“. Die russische Staatsanwaltschaft ging von einem Zusammenhang der brutalen Attacke mit Kaschins Arbeit aus.
Die Zeitung „Kommersant“, Arbeitgeber von Kaschin, vermutete eine Verbindung zu dessen Berichterstattung über einen umstrittenen Autobahnbau durch den Chimki-Wald bei Moskau. In der Vergangenheit waren mehrere Gegner des Projekts zusammengeschlagen worden. Ebenfalls im Verdacht stehe die kremlnahe Jugendorganisation „Junge Garde“, die Kaschin im August auf ihrer Internetseite als „Informations-Saboteur“ beschimpft und mit „Bestrafung“ bedroht hatte. Außerdem habe der Journalist wegen Einträgen in seinem Blog Streit mit dem Gouverneur der Region Pskow gehabt, schrieb „Kommersant“ weiter.
„Das Recht eines Reporters, seinen Verpflichtungen nachgehen zu können, ohne um sein Leben fürchten zu müssen, ist auch das Recht unserer Gesellschaft, zu sprechen und gehört zu werden“, hieß es in einem offenen Brief, den „Kommersant“ auf der Titelseite veröffentlichte. „Journalisten in Russland müssen endlich geschützt werden. Die Behörden sind direkt für die Sicherheit der Medien im Land verantwortlich.“ Der Brief wurde zunächst von insgesamt 26 teils bekannten Journalisten und Herausgebern unterzeichnet. Nachträglich fügten Hunderte weitere ihre Namen hinzu. Die Journalisten forderten die Behörden in ihrem Schreiben zur umfassenden Aufklärung der Attacke auf.
Die EU-Kommission bezeichnete die Angriffe auf die Journalisten als „nicht akzeptabel“ . „Wir hoffen, dass die Verantwortlichen der Justiz überstellt werden“, sagte Kommissionssprecherin Pia Ahrenkilde in Brüssel. Auch EU-Außenministerin Catherine Ashton drückte nach Angaben einer Sprecherin ihre „tiefe Sorgen“ über die „brutalen Vorfälle“ aus. Die Überfälle wirkten wie ein Versuch, die Journalisten zum Schweigen zu bringen.