Moskau. Wer schon ein paar Jahre mit dem Auto auf den Straßen Russlands unterwegs ist, hat schon allerlei erlebt: aggressive Verkehrsteilnehmer, permanente Milizkontrollen, Versuche der Ordnungshüter, den tatsächlichen oder vermeintlichen Verkehrssünder abzukassieren. Ebenso alltäglich sind Manipulationen bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen, in die hochrangige Vertreter von Staat oder Wirtschaft verwickelt sind.
Doch das ist neu: Mit offenkundig manipulierten Videos, die jetzt im Internet unter der Schlagzeile "Wort und Tat" zu bestaunen sind, werden Mitbürger vorgeführt, wie sie Angehörigen der Verkehrsmiliz angeblich Bestechungsgelder anbieten. Die Betroffenen, der kremlkritische Politologe Dmitri Oreschkin, der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin und der Journalist Mikhail Fishman weisen diese Anschuldigungen entrüstet zurück, sie sprechen von Fälschungen.
Fishman ist Chefredakteur der russischen "Newsweek"-Ausgabe, die von Axel Springer Russia, einer 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Axel Springer AG, herausgegeben wird. Er habe, so suggeriert das von einer versteckten Kamera im Milizfahrzeug aufgenommene Video, allerdings ohne den optischen und akustischen Beweis tatsächlich zu liefern, den Verkehrspolizisten Geld angeboten. Das sei nicht wahr, sagte Fishman der "Welt". Ohne Grund, so berichtete er, sei er von der Verkehrspolizei angehalten worden. "Sie fahren unsicher", wurde ihm zur Begründung vorgehalten. Dann warf man ihm vor, er habe eine frühere Strafe nicht bezahlt. Fishman leugnete das auch nicht, sagte aber, er habe nur 500 Rubel dabei, nicht genug, um die Strafe gleich zu bezahlen. Mit einer Ermahnung, er möge das nachholen, wurde er entlassen.
Der Videosequenz vorangestellt ist nun der Mitschnitt eines Telefongesprächs, das erst kürzlich stattgefunden hat. Ein Unbekannter hatte sich bei Fishman gemeldet, sich als Rundfunkjournalist ausgegeben und unter anderem gefragt, ob er, Fishman, jemals Bestechungsgelder gezahlt habe. Dieser habe ehrlich zugegeben, dass so etwas schon vorgekommen sei. Das Pseudo-Interview wurde dann mit dem alten Video zusammengeschnitten und mit ähnlichen Machwerken über Oreschkin und Jaschin bei YouTube ins Internet gestellt. Die berüchtigte Kreml-Jugendorganisation Naschi griff das sofort auf und sorgte für eine weite Verbreitung im Internet.